„Das Ich im Wir. Künstlerbildnisse in der DDR“

Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum, Galerie Neue Meister, Schaukabinett

5. Juli bis 30. Oktober 2011

Die Reihe „Schaukabinett“ im Albertinum gibt Einblicke in ausgewählte Sammlungsbereiche der Galerie Neue Meister. In ihrer vierten Folge öffnet sie den Blick auf eine thematische Bestandsgruppe, den Künstlerbildnissen aus der DDR. Sie versprechen, Aufschluss zu geben über das Selbstverständnis der Künstler.

In der DDR hatte der Maler mit seinem Schaffen gemäß der Parole „Vom Ich zum Wir“ zur Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft beizutragen. Die ihm zugedachte Funktion stand jedoch oftmals im Widerspruch zu historisch gewachsenen Autonomieansprüchen, nach denen sich ein Künstler frei von äußeren Zwängen nur dem eigenen „Ich“ verpflichtet fühlte. Wie unterschiedlich sich die Künstler in diesem Spannungsfeld positionierten, zeigen die für das Schaukabinett ausgewählten Bildnisse.

So präsentiert sich Erich Gerlach im Jahr 1947, also noch während der sowjetischen Besatzungszeit, optimistisch mit einem Hoffnung symbolisierenden, knospenden Haselnusszweig in der Hand. Demgegenüber malt sich Ernst Hassebrauk zehn Jahre später vor der Kulisse des brennenden Dresden. Joachim Kratsch übernimmt das tradierte Rollenbild des Harlekins als Sinnbild für die ambivalente Sonderstellung des Künstlers in der Gesellschaft. Peter Graf zieht sich in seinem 1971 entstandenen „Selbstbildnis mit Papagei“ auf ein historisches Vorbild zurück, indem er Parmigianinos berühmtes „Selbstbildnis im Konvexspiegel“ aus dem Jahr 1524 zitiert. Die durch die Spiegelung verzerrt wiedergegebene Ansicht verdeutlicht die Differenz zwischen Realität und Abbild, zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung, der Vogel weckt Assoziationen vom Fliegen und der Freiheit. Arno Rink hingegen malt sich in seinem Bild „Versuchung“ von 1980 als gefesselter Mann, unfähig, seiner künstlerischen Tätigkeit nachzugehen, wenngleich auch er sich in lange Tradition von Selbstbildnissen stellt.

„DDR-Kunstsammlung der Wismut bekommt in Chemnitz einen festen Platz“

DNNonline vom 13.04.2011: „Chemnitz. Die DDR-Kunstsammlung der bundeseigenen Wismut GmbH wird im künftigen Haus der Archäologie in Chemnitz dauerhaft zu sehen sein. Unter dem Titel „Vom Uranbergbau zu neuen Landschaften“ sollen in der fünften Etage große Teile der rund 4000 Kunstwerke aus dem Besitz des Unternehmens gezeigt werden, teilte das Kunstministerium am Mittwoch in Dresden mit. „Es wird ein besonderer Ausschnitt der DDR-Geschichte präsentiert, der wie kein anderer mit der sächsischen Vergangenheit und dem Erzgebirge verbunden ist“, erklärte Kunstministerin Sabine von Schorlemer (parteilos). Es werde gezeigt, wie der Uranbergbau der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut-SDAG im Kalten Krieg Landschaften zerstört habe und wie durch Sanierung und Rekultivierung der Altlasten neue entstanden seien. Die Wismut-Kunstschätze stammen aus den Jahren 1959 bis 1989 und waren zu einem großen Teil Auftragswerke – Landschaften mit Bergbauanlagen, Untertage-Szenen und Arbeiterporträts. Rund 450 Künstler sind mit Arbeiten vertreten, darunter auch Willi Sitte, Bernhard Heisig und Werner Tübke. Das Wismut-Thema ergänze „auf exemplarische Weise“ den Ansatz des neuen Landesmuseums „Haus der Archäologie und Geschichte“, das die Vergangenheit der mitteldeutsch-sächsischen Region der vergangenen 300.000 Jahre beleuchte. In den ersten drei Etagen des Museums reiche der Bogen von den Eiszeit bis zum Beginn der Industrialisierung. Der für Sachsen wichtige Bergbau werde besonders gewürdigt. Das vierten Obergeschoss bleibe Sonderausstellungen vorbehalten, wo die Themen bis in die Gegenwart weiterverfolgt würden.“ weiterlesen

Presseschau zum Thema:

thueringer-allgemeine.de vom 21.12.2010: „Wismut will Kunst-Sammlung öffnen“

Freie Presse vom 5.04.2011: „Wismut öffnet ihre Schatzkammern“

Märkische Oderzeitung vom 13.04.2011: „DDR-Kunstsammlung der Wismut künftig in Dauerausstellung“

sz-online.de vom 26.04.2011: „Diese DDR-Unkunst besudelt Chemnitz“

Berliner Zeitung vom 6. 05.2011: „Ein ungeliebter Bilderberg“

Rez.: Steffen Dengler: Die Kunst der Freiheit? Die westdeutsche Malerei im Kalten Krieg und im wiedervereinigten Deutschland

Rezensiert von Anja Tack

Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, tack@zzf-pdm.de

Der aus Sachsen stammende Georg Baselitz, der 1957 nach West-Berlin übergesiedelt war, gab im Sommer 1990 den Impuls für den deutschen Bilderstreit, das heißt für die heftigen öffentlichen Debatten über den Wert der ostdeutschen Kunst: „Es gibt keine Künstler in der DDR, alle sind weggegangen.“[1] Damit griff er das im deutsch-deutschen Kunstdiskurs etablierte Argument auf, Kunst könne nur in Freiheit entstehen. Zwei unterschiedliche „Geltungskünste“ (Karl-Siegbert Rehberg) oder, wie es Steffen Dengler formuliert, „zwei gegensätzliche kulturelle Gesichter“ (S. 9) waren während der deutschen Teilung entstanden. Die Kunst des Westens war dominiert von einer abstrakten Ausdrucksweise, die des Ostens von einer figurativen (eine Gegenüberstellung, die als Arbeitshypothese eine gewisse Berechtigung hat, bei näherem Hinsehen allerdings rasch fragwürdig wird). Zugleich wurde die westdeutsche Kunst als eine „Kunst der Freiheit“ charakterisiert, die ostdeutsche Kunst dagegen galt als Inbegriff der Unfreiheit.

Denglers Dissertation, die er 2008 an der Humboldt-Universität zu Berlin vorlegte und die nun als Buch erschienen ist, kann als Beitrag zur Historisierung des deutschen Bilderstreits seit 1990 verstanden werden, in dem beide Kunstverständnisse unversöhnlich aufeinanderprallten. In „Die Kunst der Freiheit? Die westdeutsche Malerei im Kalten Krieg und im wiedervereinigten Deutschland“ geht der Kunsthistoriker und Galerist der Frage nach, wie sich die abstrakte Malerei als westdeutsche Geltungskunst durchsetzen konnte. Die spätestens seit den 1980er-Jahren gängige These, die US-amerikanische Außenpolitik und mit ihr die CIA hätten sich um die Einführung und Durchsetzung der abstrakten Malerei im Nachkriegsdeutschland verdient gemacht oder hätten dazu mindestens wesentlich beigetragen, stellt er auf den Prüfstand. Denn der Beweis, dass „die Akzeptanz des Abstrakten Expressionismus in Europa auf die Initiative der USA hin durchgesetzt worden sei“, stehe nach wie vor aus (S. 18).[2] Grundlegend in Frage gestellt werde damit zugleich das westliche „Überlegenheitsgefühl gegenüber der vereinnahmten Kunst aus Ostdeutschland, das sich auf die Überzeugung gründete, selbst eine über jeden Verdacht erhabene Kunst vorweisen zu können“ (S. 12).

Denglers zentraler Untersuchungsgegenstand sind sechs in den Jahren von 1946 bis 1948 gezeigte Ausstellungen, in denen „um das Profil Nachkriegsdeutschlands gerungen“ worden sei (S. 30). Leider erfährt der Leser nicht, nach welchen Kriterien die Auswahl der Ausstellungen erfolgte; es heißt lediglich, dass die besprochenen Ausstellungen „besonders deutlich Stellung bezogen“ in der Profilierung der Künste seit 1945 (ebd.). Zwei Ausstellungen US-amerikanischer Herkunft von 1946 und 1948 werden vier deutsche Kunstschauen gegenübergestellt: die Konstanzer Ausstellung „Neue Deutsche Kunst“ vom Juni 1946, die Dresdener „Allgemeine Deutsche Kunstausstellung“ vom August 1946 sowie zwei Augsburger Ausstellungen der Reihe „Maler der Gegenwart“ („Extreme Kunst“ und „Künstler der Ostzone“, beide 1947). Auf knapp 80 Seiten führt Dengler den Leser mit zahlreichen Abbildungen und präzisen Bildbeschreibungen sehr anschaulich durch die Ausstellungen.

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Kunst in der DDR aus der Sammlung Lore & Georg Nowoisky

Drei Ausstellungen

4. Mai – 27. Mai 2011: Werke einiger namhafter Künstlerinnen und Künstler aus der DDR,  Rathaus Denkingen, Hauptstraße 46, 78588 Denkingen

4. Mai – 27. Mai 2011: Grafische Arbeiten, Landratsamt Tuttlingen, Bahnhofstraße 100, 78532 Tuttlingen

8. Mai – 17. Juli 2011: Christliche Themen und Motive, Museum Aldingen,  Hauptstraße 69, 78554 Aldingen

schwäbische.de vom 04.05.2011: Auch eine Besucherin ist als ehemalige DDR-Bürgerin betroffen von den rund 60 Werken, vor allem aber von der Einführung durch die Düsseldorfer Kunsthistorikerin Claudia Jansen: An Beispielbildern verdeutlicht diese die Haupttendenzen, die die vier Jahrzehnte der künstlerischen Entwicklung in der DDR ausmachen. Die „staatlich geförderte und geforderte Vorstellung von Kunst“ hatte sich in den vier Jahrzehnten sichtbar weiterentwickelt – von den bewusst „für die neu zu schaffende sozialistische Gesellschaft tätigen Künstler“ in den Anfängen ging es über den „Bitterfelder Weg“, eine Initiative, Kunst und Bevölkerung zusammenzubringen, nach und nach zu mehr künstlerischer Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten. Daneben existierte aber auch eine „non-konforme“ Kunst, wie die Laudatorin feststellt. In ihrem Abriss betont sie auch die breite Zeitspanne und Vielseitigkeit der Werke: In seinen Heimatbesuchen hat der frühere DDR-Bürger Georg Nowoisky auch nach seiner Flucht im Jahr 1968 gemeinsam mit Ehefrau Lore Galerien, Geschäfte und Künstler-Ateliers besucht, durfte sich teilweise die Werke „aus der Schublade ziehen“, wie er sich im Gespräch erinnert. Eine sehr sehenswerte und gefällige Sammlung ist daraus im Lauf der Jahrzehnte geworden, ein Teil davon hat im Foyer und in den Seitengängen des Landratsamtes seinen Platz gefunden. Wer sich die Zeit nimmt und genau hinschaut, hört und sieht auch heute noch die subtilen Zwischentöne.“ weiterlesen

Tag.: Kunst gegen Valuta. Der staatliche Ausverkauf von Kunst und Antiquitäten zur Devisenbeschaffung in der DDR

15. – 17. Mai 2011

Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Kutschstall
Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam

Internationale Tagung des Moses Mendelssohn Zentrums in Koorperation mit dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte gefördert durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Auch in der sowjetischen Besatzungszone bzw. späteren DDR gab es Kunsthändler und Sammler. Neben den noch verbliebenen oder nach dem Krieg eröffneten privaten Antiquitätenläden oder Kommissionsgeschäften gewann zunehmend der staatliche Kunsthandel der DDR an Bedeutung. Mitte der 1950er Jahre als sogenannter Volkseigener Handelsbetrieb Antiquitäten (VEH Antiquitäten) gegründet, kontrollierte er sowohl den Binnen- als auch den Außenhandel. Dies änderte sich Ende der 1960er Jahre. Der Bedarf an frei konvertierbaren Devisen wuchs. 1966 schuf Alexander Schalck – Golodkowski, dessen Doktorvater Erich Mielke war, den geheimen Wirtschaftsbereich Kommerzielle Koordinierung (KoKo). Dieser Wirtschaftsbereich handelte mit allem, was der DDR D-Mark und Dollar einbrachte, exportierte und importierte Embargowaren und begann, sichnebenbei auch für den Kunsthandel zu interessieren. 1973 wurden diese Geschäfte unter dem Dach der neugegründeten Kunst und Antiquitäten GmbH gebündelt. Ausgangspunkt der Warenbeschaffung für den Export sollte ein großangelegter Angriff auf die Museumsdepots der DDR sein. Die Museen sollten auf einen Schlag Kunstgegenstände im Wert von 55 Millionen Valutamark für den Export bereitstellen. Das Vorhaben scheiterte unter anderem daran, dass die Museen die Zusammenarbeit verweigerten. Neue Warenquellen wurden erschlossen. Dazu gehörte nicht nur der systematische Aufkauf aus der Bevölkerung oder die Ausweitung des Warensortiments auf Altpflaster bis Zinnsoldaten. Auch die privaten Sammler rückten zunehmend ins Visier der Devisenbeschaffer. Viele der ostdeutschen Sammler verloren ihre Kunstsammlungen bis 1989 an den Staat. Mittel zum Zweck waren fiskalische Maßnahmen. Die Sammler und verbliebenen privaten Antiquitätenhändler wurden Opfer fingierter Steuerverfahren, an deren Ende die Übernahme ganzer Sammlungen durch die DDR-Behörden stand. Unkontrolliert über die Grenze verbracht, fand die heiße Ware aus dem Osten reißenden Absatz in Westeuropa und Übersee. Die Konferenz stellt den deutsch-deutschen Kunsttransfer in den Mittelpunkt und geht besonders auf die Situation der Sammler und die Rolle der Museen in der DDR ein. Zeitzeugen und Fachleute aus dem Kultur- und Wissenschaftsbereich werden dieses eher vernachlässigte Kapitel deutscher Kulturgeschichte diskutieren. Es wird auch zu fragen sein, wie mit dem zweifelhaften Erbe zukünftig umgegangen werden soll. Zwanzig Jahre nach der Herstellung der deutschen Einheit hat die Forschung hier nur eine kurze Wegstrecke zurückgelegt. Die Konferenz soll Anlass und Ausgangspunkt für eine breitere fachliche und öffentliche Auseinandersetzung sein.

Anmeldung und Information
Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien
Am Neuen Markt 8, 14467 Potsdam
Telefon 0331/ 280940, Fax 0331/ 2809450
moses@mmz.uni-potsdam.de

zum Programmflyer

Werner Tübke. Zeichnungen 1970-1979

Galerie Schwindt, Springerstraße 5, 04105 Leipzig

10. April – 25. Juni 2011

weitere Informationen

Presse

Tag.: Die Wege der Bilder. Sammlungspolitik ostdeutscher Kunst in und nach der DDR

Dresden, 5.-7.05.2011

Wenn auch die gesellschaftliche und kunsthistorische Bedeutung der bildenden Künste in der DDR mittlerweile kaum noch ernsthaft bestritten wird – im öffentlichen Raum ist sie heute gleichwohl weitgehend unsichtbar. Das gilt für den ‚Westen‘ Deutschlands wie für die ‚neuen Bundesländer’. Seit dem Gesellschaftsumbruch lagert der größte Teil der in der SBZ und der DDR zwischen 1945 und 1990 geschaffenen Kunstwerke zumeist in Depots. Selbst in der Programmpolitik vieler ostdeutscher Museen, die über umfangreiche und oft sehr qualitätsvolle Kunstbestände aus der DDR verfügen, spielt dieser Besitz nur eine marginale Rolle.

Dabei erlangten die Bilder im Depot – und ihre zeitweise Präsentation in zum Teil spektakulären und hoch umstrittenen Ausstellungen – im „deutsch-deutschen Bilderstreit“ eine symbolische Bedeutung. Diese Kontroverse ist aufs engste mit der Frage nach dem Schicksal der Werke und Sammlungen verkoppelt. Der Bilderstreit erwies sich zudem als ein stellvertretender Diskurs über den gesamten Prozess der Wiedervereinigung.

Die Tagung „Die Wege der Bilder“, veranstaltet vom BMBF-Verbundprojekt „Bildatlas: Kunst in der DDR“ in Zusammenarbeit mit dem Dresdner Institut für Kulturstudien, untersucht vor dem Hintergrund dieser Situation erstmals die Sammlungspolitik ostdeutscher Kunst in der DDR. Sie fragt ebenso nach deren musealer Repräsentanz in der Gegenwart und thematisiert die aktuellen Formen des öffentlichen Umgangs zwischen beginnender Akzeptanz und rigoroser Ausblendung. In interdisziplinärer Kooperation werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (Kunstgeschichte, Kultur- und Kunstsoziologie, Zeitgeschichte), darunter ausgewiesene Museumsfachleute, eine historisch-kritische Bestandsaufnahme versuchen.

In der Dresdner Tagung werden die spezifischen Formen des Bildtransfers, die institutionellen Sammlungstypen, die Handlungsspielräume der Akteure wie auch die konkreten „Wege der Bilder“ in die öffentlichen Sammlungen rekonstruiert. Dieses Thema berührt auch die aktuelle, oft genug unter rigiden Sparauflagen stehende Inventarisierungsarbeit und Provenienzforschung im musealen Alltag: Neben der musealen Eigenerwerbung waren in der DDR staatlich finanzierte Ankäufe und kulturpolitisch intendierte „Übereignungen“ entscheidend, die damals oft zu einer lückenhaften und nicht eindeutigen Erfassung der Kunstbestände führten. Insofern erweist sich die differenzierte Analyse der Erwerbspraxis in der DDR auch als grundlegende Voraussetzung musealer Arbeit in Gegenwart und Zukunft und für die Dokumentationsarbeiten des Verbundprojektes.

Programm und weitere Informationen

Programmflyer als pdf

Anmeldeschluss: 29.04.2011

Rez.: Tübke Stiftung Leipzig. Bestandskataloge

Von Simone Fleischer

Zwei Jahre nach ihrer Gründung legte die Tübke Stiftung Leipzig 2008 einen ersten Bestandskatalog vor, der die Gemälde in ihrem Besitz verzeichnet. Im Jahr darauf, pünktlich zum 80. Geburtstag des Künstlers Werner Tübke, folgte ein Bestandskatalog der Zeichnungen und Aquarelle. Beide Bände zusammen führen als erste Veröffentlichungen der Stiftung deren Relevanz vor Augen, die nun, „nach dem Panorama Museum […] Bad Frankenhausen […] einen zweiten wichtigen Stützpunkt für die Kunst dieses Malers“ (9) bildet.

Die Tübke Stiftung Leipzig geht zurück auf eine Idee des Malers selbst, dessen Wunsch es war, dass „die Arbeiten aus seinem Nachlass […] in der Stadt Leipzig verbleiben sollten“ (7), wie Brigitte Tübke-Schellenberger im Grußwort des ersten Bandes bemerkt. Die Stiftung, die das Wohnhaus des Künstlers in Leizpig als Standort wählte, beherbergt nun den reichen Bestand von 19 Gemälden, 16 Aquarellen, 67 Zeichnungen und Einzelblättern sämtlicher Druckgrafiken. [1] Das Besondere ist dabei, dass der Gesamtbestand sich über den Zeitraum von 1936 bis 2004 erstreckt, also von den ersten Versuchen des Malers bis hin zu seinen letzten Arbeiten. Damit wird ein umfassender Blick auf das Werk Tübkes ermöglicht. Im Bestand der Gemälde zeigt sich dabei vor allem ein eher „private[r] Charakter“ (13); über die Zeichnungen und Aquarelle, oftmals Vorstudien und Skizzen, ist es darüber hinaus möglich, sich auch in die großformatigen Werke des Künstlers, die sich in anderen Sammlungen befinden, einzusehen.

Der Katalog der Gemälde folgt dem Bestand chronologisch. Die Texte zu den einzelnen Gemälden wurden von den Herausgebern zusammen mit Studenten des kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Leipzig verfasst. Jedem Werk wurde dabei eine individuelle Betrachtung gewidmet, ein „Novum“ (17) des Katalogs, wie Annika Michalski und Frank Zöllner im einleitenden Text vermerken, wobei die Novität weniger in der Erstveröffentlichung eines Bildes als vielmehr in den sorgfältigen Einzelanalysen und der dafür herangezogenen, „bisher unzugänglichen Quellen aus dem Nachlass Werner Tübkes“ (17) liegt. Die Entscheidung für klassische Katalogtexte hat einerseits zur Folge, dass die Texte bei durchgehender Lektüre in ihrem ähnlichen Aufbau etwas seriell wirken. Andererseits sorgen die Ausführlichkeit und das Einbeziehen der neuen Quellen für interessante und informative Texte.

Die Beiträge beginnen zumeist mit einer genauen Beschreibung des Gezeigten, gefolgt von einer Einordnung in kunsthistorische Zusammenhänge. Dies gelingt nicht an allen Stellen gleich gut. Oft werden mehr oder weniger einleuchtende kunsthistorische Bezüge in bloßer Aufzählung hergestellt, etwa bei der Beschreibung des Bildes „Gesellschaft im Freien (Urlaub auf Rügen)“ (36-39), in dem lediglich auf die Ähnlichkeit in Motiv und Titel zu Manets „Frühstück im Freien“ hingewiesen wird. Inwieweit solche Einzelbeobachtungen die Bilder in ihrer Argumentation unterstützen oder aber wie sie sich in den „Kosmos“ des Künstlers fügen, wird schwer greifbar. Deutlicher werden die Texte innerhalb einer Einordnung in private und geschichtliche Zusammenhänge. So wird etwa das Bild „Versuch II“ (32-35) in den Kontext der Unruhen und Demonstrationen des Jahres 1956 eingebettet. Eine etwas stringentere Beweisführung auch anhand des Bildes, das mit entsprechenden Bildtopoi arbeitet, die aufgrund ihrer christlichen Provenienz die These unterstützen, hätte die Argumentation verfestigt. Nichtsdestotrotz gelingt es den einzelnen Bildtexten, einen interessanten und aufschlussreichen Einblick in die Bildwelten Werner Tübkes zu geben.

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Vortrag: Der Blick durch die Kamera. Beobachtungen zu Künstlerfilmen von Jürgen Böttcher

Ein Abendvortrag von Simone Fleicher, M.A. (Dresden)

Mittwoch, 23. März 2011, 18 Uhr, Einlass 17.30 Uhr

Albertinum, Hermann-Glöckner-Raum, Eingang Georg-Treu-Platz, Dresden

Der Regisseur Jürgen Böttcher, unter dem Pseudonym Strawalde auch als Maler bekannt, war zu DDR-Zeiten fester Bestandteil des DEFA-Dokumentarfilm-Kinos. Die öffentliche Präsentation seines malerischen Werkes blieb ihm lange Zeit verwehrt. Als Regisseur von Dokumentarfilmen fand er jedoch eine Ausdrucksmöglichkeit, die ihm schon vor 1989/90 zur internationalen Beachtung verhalf.

Böttchers Filme offenbaren auf vielfältige Weise seine Herkunft aus der Malerei. Filme wie „Rangierer“ (1984) wirken wie Formstudien, spielen mit Licht und Schatten und erzählen ihre Geschichte ohne Kommentar und Musik, allein aus dem Bild heraus.

Wiederholt richtete er seine Kamera auf Künstlerkollegen, zeigt ihre Kunst und ihren Alltag. Zwei dieser Filme sollen im Mittelpunkt des Vortrages stehen. „Drei von Vielen“ von 1961 steht am Beginn von Böttchers filmischer Karriere. Sein erster Film nach dem Abschluss des Hochschulstudiums wurde als einer der ersten DEFA-Filme überhaupt mit einem Aufführungsverbot belegt.

„Kurzer Besuch bei Hermann Glöckner“ entstand 1984, nachdem sich der Regisseur bereits mit „Ofenbauer“ (1962), „Stars“ (1963) oder „Martha“ (1978/79) einen Namen gemacht hatte. Im Focus der Betrachtungen sollen sowohl die Darstellung der Künstler und ihrer Malerei als auch die Wahrnehmung der Filme innerhalb der DDR-Kinolandschaft stehen.

Simone Fleischer, M.A., hat Kunstgeschichte, Germanistik und Psychologie in Dresden und Mailand studiert. Sie hat ihr Studium mit einer Arbeit über Filmplakate des deutschen Stummfilmkinos abgeschlossen. Im Anschluss arbeitete sie im Gerhard Richter Archiv Dresden, bevor sie 2009 zu dem Forschungsprojekt „Bildatlas: Kunst in der DDR“ in der Galerie Neue Meister Dresden wechselte.

Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an: Kathleen Schröter/ Simone Fleischer (Galerie Neue Meister)

Tel. 0351 4914-9742; Kathleen.Schroeter@skd.museum / Simone.Fleischer@skd.museum

Programmhinweis: Der Maler Willi Sitte

Ein Film von Ernst-Michael Brandt

Sonntag, den 27. Februar 2011, 23:40 Uhr im MDR Fernsehen

„Am 28. Februar 2011 wird der Maler Willi Sitte 90 Jahre alt. Er ist einer der gelobtesten und gescholtensten deutschen Maler der Gegenwart. Seine kraftvollen Frauenakte, seine stolzen Arbeiterporträts machten ihn zum Aushängeschild der DDR-Kunst. Er war lange Präsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR und nach der Wende abgestempelt als höriger Staatsmaler. Aber: Seine Bilder sind begehrt und Machtmissbrauch konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Wie hat der einstige Partisan im Kampf gegen Faschismus und Krieg die tiefsten Tiefen und die glanzvollen Höhen überlebt – wie seine Schaffenskraft erhalten?“

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