„Wolfgang Mattheuer: Solange die Sonnen noch nicht im Schwarz ersaufen …“

Arbeiten auf Papier aus der Sammlung Peter Mathar

15. Januar bis 4. März 2012

kunst galerie fürth, Königsplatz 1, 90762 Fürth

art-in.de 6.1.2012: „Wer Wolfgang Mattheuer ausstellt, ruft zwangsläufig die Zeitgeschichte auf. Schließlich ist der Großteil des Werks zu Zeiten der Existenz der DDR entstanden. Und die von Mattheuer selbst so genannten „Problembilder“ (Tagebuch 16.3.1975. W.M., „Äußerungen“, 1990 Berlin) sind ein beträchtlicher Teil des Gesamtwerks.

Er, der sich dagegen sträubte neben Bernhard Heisig und Werner Tübke zum Gründervater der sogenannten Leipziger Schule stilisiert zu werden, als habe unter diesen berühmt gewordenen Künstlern Einigkeit über den künstlerischen Weg geherrscht, ist unter den prominenten Malern der DDR der beim breiten Publikum unbekannteste: Von ihm bleibt in der öffentlichen Wahrnehmung des begonnenen 21. Jahrhunderts ausgerechnet eine Skulptur – der Jahrhundertschritt (Abgüsse u.a. in Berlin, Bonn, Leipzig, Stiftung Moritzburg). Wolfgang Mattheuer war Mitglied der SED (von 1958 bis 1988), aber nie ideologiegetriebener Kulturfunktionär. Künstlerische Inspiration suchte er bei C.D.Friedrich und Goya, bei Beckmann, Otto Pankok und Hofer, natürlich bei den im Osten Deutschlands überaus opportunen Vorbildern Fernand Léger, Renato Guttuso oder dem Picasso der Guernica-Phase (denn letzterer war vorübergehend, die Erstgenannten sogar langjährig Mitglieder der Kommunistischen Partei). Wenn ein gewichtiger Teil des Werks anspielungsreich wie sublim die kritische Zeitgenossenschaft Mattheuers widerspiegelt, so wird diese Haltung ausponderiert von den zahlreichen „Erholungsbildern“, bemerkenswerterweise vielen, die die Reichenbacher Heimat in den Blick nehmen. Trotz des gegenüber der Macht erstrittenen Privilegs vielfacher Reisen ins In- und Ausland fühlte er sich doch immer wieder nur ganz geborgen in der Reichenbacher ´Welt in der Nussschale` seiner vogtländischen Heimat. Heinz Schönemann (Potsdam) bringt es auf den Nenner, wenn er Mattheuers Haltung mit der Formel Kosmopolitischer Provinzialismus belegt. Diese Einschätzung stützt sich explizit auf eine Aussage Wolfgang Mattheuers, die er in einer Rede zu einer Ausstellung am 3.10.1984 in Mylau formulierte, einem Ort in der Nähe des Geburts- und Lebensortes Reichenbach im Vogtland: „Die ganze Welt als Heimat schafft sich keiner. Aber wer die Heimat als ein Stück Welt begreift, kann ein Weltbürger sein.“ weiterlesen

Presse:

donaukurier.de vom 22.1.2012

„Kunst dient der Friedenssicherung“

Das Grafik Museum Schreiner lockt Künstler und Besucher aus aller Welt nach Bad Steben

Bayerische Staatszeitung vom 16.12.2011: „Vorbei scheint die Zeit eines Mäzenatentums, das schenkt, ohne gleichzeitig zu fordern. Sammler erwarten heute materielle oder ideelle Gegenleistung, wenn sie ihre Schätze zur Verfügung stellen. Mitunter steht die mäzenatische Geste in einem asymmetrischen Verhältnis zur Leistung, die sie tatsächlich erbringen. Denn nach wie vor muss die Öffentlichkeit all jene Aufgaben eines Museums finanzieren, die unerlässlich sind und doch nach außen hin wenig Attraktivität schaffen, wie Konservierung, Aufarbeitung und Vermittlung. Die Musealisierung einer Sammlung als zeitlich befristete Leihgabe an ein renommiertes Haus erscheint zudem manchem als probates Mittel, den finanziellen Wert der Kollektion dauerhaft zu erhöhen. Doch je mehr die Ankaufetats der Museen schrumpfen, desto mehr geraten die Institutionen in die Abhängigkeit solcher Sammler und ihrer Allüren. Im äußerten Fall baut man ihnen aus öffentlichen Mitteln ein eigenes Museum, das ihrem privaten Geschmack ein Denkmal setzt. Früher war nicht alles besser. Immerhin gab es noch keine Sponsoren sondern nur Mäzene. Diese Sammler trugen im Stillen Kunstwerke zusammen, um sie später umsichtig und diskret – auch im Bewusstsein gesellschaftlicher Verantwortuntg – einer öffentlichen Institution zur Verfügung zu stellen. Einzelne Vertreter dieses Schlags gibt es noch.

Da sind zum Beispiel Stefanie und Wolfgang Schreiner. Seit 1991 lebt das Berliner Ehepaar im Frankenwald. Das Grafik Museum Stiftung Schreiner in Bad Steben gründet auf ihrem Sammlerfleiß und sozialen Engagement. Bad Steben, ein alter Bergbauort, Staatsbad seit 1832 und seit 2001 einer der neun bayerischen Spielbankstandorte, stand nach dem Zweiten Weltkrieg für Jahrzehnte mit dem Rücken zur Zonengrenze und war nicht gerade eine Topadresse Reisender. Das sollte sich mit der Gründung des Grafik Museums im Jahr 1994 ändern: Plötzlich reisten Minister, Botschafter, selbst der Kulturattaché der Volksrepublik China und der bulgarische Ministerpräsident an. Überdies schauen Künstler aus allen möglichen Ländern – Japan, Kanada, Kuba, Spanien, Frankreich, Italien, Österreich, Bulgarien – seither im Kurort vorbei, um ihre Arbeiten in dem Museum auszustellen, das sich vom belächelten Kompromiss ohne eigenes Haus und Etat zur renommierten Adresse gemausert hat.

Es begann damit, dass Wolfgang Schreiner in den 1970er Jahren Manager in einem Schokoladenimperium von Peter Ludwig mit dem Zuständigkeitsbereich Osteuropa war. Gemeinsam bereisten sie viele Länder. An der Seite des studierten Kunsthistorikers, Sammlers und Mäzen Peter Ludwig war dabei das Thema Kunst ständig präsent – jede Geschäftsreise wurde auch zur Grand Tour durch Ateliers, Museen und Galerien. Während Peter Ludwig Malerei und Bildhauerei sammelte, entwickelte Wolfgang Schreiner seine Liebe zur Grafik. Da ihn Geschäftsreisen hauptsächlich in kommunistische Länder führten, begann er vor allem dort zu sammeln: Zunächst konzentrierte er sich auf die zeitgenössische Grafik der DDR, dann weckten Länder Osteuropas sein Interesse, vor allem Bulgarien. Den beiden Geschäftsleuten öffneten sich im Ostblock Spielräume, die für andere in der Zeit des Kalten Krieges nicht existierten. Sie nutzten diese Möglichkeiten auch zum Austausch von Kunst zwischen den Verfeindeten. Hilfreich war Schreiners Verhandlungsgeschick. Er nennt es bescheiden seine „positive Penetranz“. Peter Ludwig schrieb über seinen Freund: „Hindernisse waren für ihn da, um beiseite geräumt zu werden. Ohne seine unablässige Findigkeit hätte es den gewaltigen Bereich mittel- und osteuropäischer Kunst der Sammlung Ludwig, der in fast zwei Jahrzehnten aufgebaut wurde, nicht geben können. Keine kommunistische Bürokratie war halsstarrig genug, um nicht von Schreiner zur Kooperation gebracht zu werden und wenn es unten hakte, ging er rigoros nach oben.“ Und weiter: „Kunst gab er den Rang von Friedenssicherung. Mit Schreiners Hilfe und nur mit seiner Hilfe war es möglich, Ausstellungen westlicher Kunst aus unserer Sammlung in vielen Museen Mittel- und Osteuropas zu zeigen und später Bildkunst aus dem kommunistischen Machtbereich zu erwerben und vielerorts in unserem Land und bei unseren westlichen Nachbarn vorzustellen. Kulturpolitik ist für Schreiner ein Anliegen: Kunst gedeiht nicht im luftleeren Raum, sondern ist Teil des Lebens und damit der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Politik.“ weiterlesen

„Kunstarchiv – es geht weiter“

Märkischer Oderzeitung vom 16.12.2011: „Stadt und Landkreis geben die Bemühungen um einen Neubau für das Kunstarchiv auf der Burg Beeskow nicht auf. Mit der Ablehnung von EU-Fördermitteln am 10. Oktober erlitt das Vorhaben erst einmal einen herben Rückschlag.

„Wir haben bis heute nichts Schriftliches, warum unser Antrag abgelehnt wurde“, sagt ein bisschen vorwurfsvoll Ilona Weser, Kulturdezernentin bei der Kreisverwaltung. Im Frankfurter Büro der Euroregion Viadrina hätte man ihr gesagt, dass sich das Protokoll von der Sitzung des Begleitschausses zur EU-Förderung Interreg IV A noch in Bearbeitung befinde. Auch Frank Steffen, Bürgermeister der Stadt Beeskow, die als Bauherr und Antragsteller fungiert, hat die ablehnenden Gründe noch nicht schwarz auf weiß gesehen. „Wir wissen nur, dass unsere Begründungen, was die deutsch-polnische Kooperation betrifft, wohl nicht ausreichend gewesen sein sollen.“

Angespielt wird auf das Gorzower Muzeum Lubuskie, mit dem es seit geraumer Zeit eine Zusammenarbeit gibt, die bereits in gemeinsamen Ausstellungen sichtbar wurde. Die nächste, „Versteinerte Reiter“, wird ab Ende Januar auf der Burg zu sehen sein. „Natürlich ist die Kooperation mit Polen erst im Wachsen“, sagt Ilona Weser auf den Vorwurf, dass sich die Antragsteller einer „Krücke“ bedient hätten, um an EU-Fördergeld zu kommen. Aber sie sei nach wie vor überzeugt von der Nachhaltigkeit des Projektes, hier in Beeskow die DDR-Kunst nicht nur aufzubewahren, sondern gemeinsam mit der Artothek Berlin (Sammlung westdeutscher Auftragskunst) und polnischer Kunst wissenschaftlich aufzuarbeiten. So könnte man Beeskow zu einem interessanten „Platz auf dem Feld der europäischen Kunstgeschichte“ machen, die Stadt könnte zu einem „Anlaufpunkt für Kunst nach 1945″ werden. Die Kulturdezernentin kämpft seit Jahren leidenschaftlich um das Kunstarchiv und die Erhöhung seiner Popularität. Schließlich verwaltet der Kreis die DDR-Kunst seit Anfang der 90er Jahre. Herbert Schirmer, der damalige Burgchef, hatte die Arbeiten – gute und schlechte – nach Beeskow geholt und vor dem Schafott gerettet.

Nun lagern hier unter ungünstigen Bedingungen in einem alten Speicher rund 23 000 Kunstwerke, die den Ländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg Vorpommern gehören. Der Kreis verwaltet sie auf Grundlage einer gemeinsamen Vereinbarung. Berlin und Brandenburg reichen jährlich rund 107 000 Euro herüber, Mecklenburg-Vorpommern rund 5000 Euro. Auf zwei halben Stellen kümmern sich Kristina Geisler und Sylvana Kaiser um den Bestand.“ weiterlesen

Eingelagerte DDR-Kunst: Der rote Pop aus dem Keller

Der größte Teil der in der DDR geschaffenen Kunstwerke lagert in Depots. Lange standen sie kollektiv unter Ideologieverdacht. Er seit Kurzem gehen Museen, Forscher und Archive entspannter damit um.

taz.de vom 9.12.2011: „Die Damen aus Biesdorf waren auf der Pirsch. Nach Schönem. Sie suchten Kunst für ihr geplantes Museum. Gleich mit drei Kolleginnen aus dem Rathaus Marzahn-Hellersdorf erschien die Kunst- und Kulturamtsleiterin Heike Meves zur Tagung „Bildatlas. Kunst in der DDR“ in Potsdam. Veranstalter waren das Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) und das Bundesbildungsministeriums (BMBF).

Die Sammlungsbestände aus den Zeiten des sozialistischen Realismus, die heute in Depots in Berlin und Brandenburg schlummern und über deren Zukunft Ende November Kuratoren und Historiker in Potsdam stritten, interessierten die vier Frauen schwer. Denn in der kommenden Woche berät der Bezirk Marzahn-Hellersdorf über den Umbau des Schlosses Biesdorf zur neuen Kunstgalerie. 7,5 Millionen Euro vom Land Berlin und der EU hat Heike Meves für den Umbau sicher. Ab dem Jahr 2015 sollen im Schloss Gemälde, Grafiken oder Skulpturen aus DDR-Zeiten präsentiert werden.

Fast 1.000 Quadratmeter Fläche sind vorgesehen für die Werke ostdeutscher bildender Künstler aus der Kunstsammlung „Kunstarchiv Burg Beeskow“, das gleich hinter der östlichen Berliner Stadtgrenze liegt. Beeskow ist die ungeliebte Schatzkammer der DDR-Kunst: 25.000 Kunstwerke werden seit der Wiedervereinigung hier aufbewahrt. Viel roter Ramsch und gute Gemälde sind darunter. Sie hingen einst in öffentlichen Ostberliner und Brandenburger Institutionen: in Museen, Galerien, Kombinaten, Rathäusern, Ministerien – und auch bei Stasichef Erich Mielke.

Schloss Biesdorf wäre das erste deutsche Museum, das programmatisch Kunst aus der ehemaligen DDR ausstellt und deren Rezeption thematisiert. „DDR-Reha“ und „Loriot-Museum“ spotteten Kritiker, als das Projekt publik wurde. Kunstamtsleiterin Meves lässt das nicht kalt. Es gehe um eine „kritische Auseinandersetzung“ mit der offiziellen Kunstdoktrin aus den Zeiten des heroischen Arbeiterbildes – nicht um eine ideologische Revision und Relativierung des Sozialismus, sagt sie. Der Titel „Bilderstreit“ für das Biesdorfer Ausstellungskonzept unterstreiche den Anspruch der Aufklärung – nicht den der Verklärung.

Es ist bis dato für Kunsthistoriker und Museumsleute schwer, Bilder aus der DDR vom Ballast negativer ideologischer Festschreibungen zu lösen. DDR-Kunst ist und bleibt Feindbild. „Sie ist aktuell kein Aspekt des Vergangenheitsdenkens“, wie Martin Sabrow, Direktor des ZZF, zu Beginn des Kolloquiums erläuterte. Gleichwohl es unterschiedliche Sujets, Stile, Schulen oder Akademien gab – die Kunstproduzenten aus der DDR, egal ob sie Bernhard Heisig oder Werner Tübke hießen, stehen weiterhin unter Generalverdacht der Staatskunst, Antimoderne und Propaganda. Der rote Pop sei gar keine Kunst, „es gab keine Malerei in der DDR“, ätzte einmal der Maler Georg Baselitz. So, als herrsche weiter Kalter Krieg.

Wie hartnäckig sich das bittere Ost-Image hält, war jüngst in der Wochenzeitung Die Zeit zu lesen. Für den Kritiker Hanno Rauterberg ist es schlicht ein Unding, dass der „Weltkünstler“ Alberto Giacometti neben dem DDR-Apparatschik Willi Sitte in der aktuellen Schau der Neuen Nationalgalerie gezeigt wird.

Der Streit über die Rolle und Qualität der DDR-Kunst hat dazu beigetragen, dass auch die Sicht auf die vielen Sammlungen in den Depots und Museumsarchiven „unterbelichtet geblieben ist“, wie Jürgen Danyel, Historiker am ZZF Potsdam, betonte. Über deren Geschichte und Gegenwart liege ein Schleier. Ihre Bedeutung vor, im und nach dem Vereinigungsprozess 1989/90 harre der Aufarbeitung. Ob der „DDR-Bildatlas“, in dem bis 2012 in Form einer Datenbank alle Sammlungen, Bestände und deren Provenienz aufgelistet sein sollen, „eine Wandlung bringt am östlichen Kunsthimmel“, wollte Danyel nicht prophezeien. Es herrscht das Prinzip Hoffnung. Das hat Gründe: Denn was zu dem Thema in den Kellern der Nationalgalerie, dem Deutschen Historischen Museum (DHM), dem Stadtmuseum sowie Berliner Wirtschaftsunternehmen und Sondereinrichtungen liegt, ist nicht wirklich transparent.“ weiterlesen

Kunst aus der DDR II – Künstler ehren Künstler

Meistergrafiken einer privaten Sammlung

04. Dezember 2011 bis 31. Januar 2012

Museum Pachen, Speyerstraße 3, 67806 Rockenhausen

Im Mittelpunkt der Ausstellung „Kunst aus der DDR II“ steht die Künstlerhommage. Was sich dahinter verbirgt: Andenken an den Künstler und sinngebende Selbstdarstellung der eigenen künstlerischen Arbeit. Nach der erfolgreichen Ausstellung „Zwischen Anpassung und Opposition – Kunst der DDR“ im vergangenen Jahr zeigt das Museum Pachen – Deutsche Kunst des 20. Jahrhunderts nun wieder Werke aus einer Privatsammlung.

Erstmals wird eine Auswahl aus eindrucksvollen druckgrafischen Sammelwerken, die sich der Künstlerhommage widmen, in einer Ausstellung gezeigt. Die Hommagen entstanden in den Jahren 1969 bis 1990. Mit einer Grafiksammlung geehrt wurden Johann Sebastian Bach (1685 -1750), Ernst Barlach (1870-1938), Max Beckmann (1884-1950), Hermann Glöckner (1889-1987), Vincent van Gogh (1853-1890), Charlotte E. Pauly (1888-1981) und Raffael (1483-1520).

Einer Reihe bekannter Künstler aus der DDR widmet sich eine weitere Sammelmappe. Studien renommierter Musiker und Dirigenten aus dem Leipziger Gewandhaus runden die Grafikauswahl ab.

Auch dieser Schau liegt die Intention zugrunde, dass Kunst aus der DDR zum gesamtdeutschen Erbe gehört und der Teil der deutsch-deutschen Kunstgeschichte ist. Die Ausstellung zeigt, dass auch in der DDR eine differenzierte Vielfalt des künstlerischen Ausdrucks möglich war. Die gezeigten Künstlerhommagen reflektieren dies in eindrucksvoller Weise.

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„Im Minenfeld“

Diskussion im Truman-Haus: Über DDR-Kunst in Museen wird immer noch gestritten

pnn.de vom 1.12.2011: „„Kein Künstler, kein Maler, keiner von denen hat je ein vernünftiges Bild gemalt“, sagen Kritiker der DDR-Kunst. Die Fronten sind alt, den Kalten Krieg trägt man bis heute aus. Jeder kennt die pauschalen Urteile: Das ist nur „Auftragskunst“ oder „Staatskunst“. Die Kunst der DDR wird auch nach 20 Jahren der Wiedervereinigung schroff und polemisch aus Museen ausgegrenzt. Man erinnert sich an die Ausstellung zur Feier der Verfassung der Bundesrepublik im Berliner Gropiusbau vor zwei Jahren. Und im 2010 wiedereröffneten Albertinum in Dresden wurde die Malerei aus der DDR nur marginal betrachtet. Der größte Teil von Kunstwerken, die zwischen 1945 und 1990 in Ostdeutschland entstanden, verschwanden zumeist in den Depots.

Mit dem Thema „Bilderstreit“ befinde man sich in einem Minenfeld, sagte Christoph Tannert vom Kunsthaus Bethanien Berlin während eines Diskussionsabends am Dienstagabend im Babelsberger Truman-Haus der Friedrich-Naumann-Stiftung. Die überaus gut besuchte Veranstaltung kündet von dem großen Interesse und dass die heftig geführte Debatte unter Museumsleuten, Kunsthistorikern, Künstlern und Rezipienten immer noch nicht beendet ist. Die Naumann-Stiftung und der Co-Veranstalter, das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, gaben dem Abend einen optimistischen (zweckoptimistischen?) Titel. Sie nannten ihn „Nach dem Bilderstreit. Neue Zugänge zur Kunst aus der DDR?“ Die Frage hält aber bereits die Antwort bereit, dass es wohl noch nicht gang und gäbe sei, der Kunst aus der vergangenen DDR in den Museen unseres Landes Tür und Tor zu öffnen.

Der Hurra-Patriotismus oder der Opportunismus von Künstlern gegenüber dem DDR-Staat darf nicht verschwiegen und muss beleuchtet werden, aber bei der Auswahl von Bildern für eine Ausstellung sollte allein die künstlerische Qualität wichtig sein, so das Resümee der Gesprächsteilnehmer. Darauf hat auch das Potsdam Museum ein Augenmerk, bekannte Jutta Götzmann, die seit drei Jahren der Einrichtung als Direktorin vorsteht. Sie berichtete, dass die Sammlung der Einrichtung mit Kunstwerken aus der DDR sehr heterogen sei. „In der 1977 am Museum eröffneten Galerie der sozialistischen Kunst findet man zwar Gemälde von Malern aus Leipzig oder Halle, doch der Sammlungsschwerpunkt lag im Ankauf von Bildern regionaler Künstler“, so die Direktorin. Die sozialistische Gegenwartskunst zu fördern, war das Anliegen der Geldgeber der Räte des Bezirkes und der Stadt Potsdam oder des Kulturfonds der DDR. Sie bestimmten, welcher Künstler und welches Bild in die Galerie Einlass zu finden habe. „Da ließen sich starke Schwankungen in der Qualität bei der Übertragung von Kunst nicht vermeiden. Nur bei einigen Werken wird der unabhängige Sammlungswille der Leiter deutlich,“ sagte Jutta Götzmann.

In der neuen Stadtgeschichts-Ausstellung, die im kommenden Jahr in den Räumen des Alten Rathauses wieder ihr Domizil findet – in ihm war das erste städtische Museum vor 100 Jahren untergebracht -, werde man auf die Bestände der DDR-Kunst-Sammlung nur aus kulturhistorischen Aspekten zurückgreifen können. „Doch um wirklich gute Kunst in die Ausstellung zu integrieren, werden wir auf private Sammlungen zurückgreifen“, bemerkte die Direktorin.“ weiterlesen

„Das Potsdam-Museum erschließt seinen Kunstbestand / Verbundprojekt zur DDR-Kunst“

Märkische Allgemeine vom 1.12.2011: „Jahrzehnte führte die „Galerie sozialistische Kunst“ des Potsdam-Museums ein Schattendasein im Depot. Ihre Erschließung deckt sich mit der Suche nach „neuen Zugängen“. „Nach dem Bilderstreit – Neue Zugänge zur Kunst aus der DDR?“ war das Thema einer sehr gut besuchten Podiumsdiskussion am Dienstagabend in der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Museumsdirektorin Jutta Götzmann berichtete dort von einem ihrer ersten Ausstellungsprojekte in Potsdam: Das Konzept für „Freiheit der Idee – 7 mal Kunst vor ’89“, zum Jahreswechsel 2009/10 im Museumshaus Benkertstraße und in der Galerie Ruhnke entstand auch als Reaktion auf die Ausstellung „Sechzig Jahre. Sechzig Werke. Kunst aus der Bundesrepublik Deutschland von ’49 bis ’09“ im Martin-Gropius-Bau, die ostdeutsche Kunst komplett aussparte. Eine Begründung dafür, die am Dienstag am späteren Abend auch aus dem Publikum geäußert wurde, lautete, dass in einem unfreien System keine Kunst entstehen könne. Götzmann und Galerist Werner Ruhnke als zweiter Kurator nahmen genau dieses Thema auf und befragten sieben Künstler ostdeutscher Herkunft zu den Umständen und Beweggründen ihres Schaffens vor dem Mauerfall. Götzmann verglich das Projekt mit der wissenschaftlichen Arbeit von Gedenkstätten, bei der Zeitzeugengespräche ein selbstverständlicher Bestandteil seien. Im Streit um die DDR-Kunst werde die Chance oftmals verpasst, den Blickwinkel des Künstlers „erfragen zu können“.

Wichtiger Teil des neuen Potsdam-Museums, das 2012 und 2013 in mehreren Etappen am Alten Markt eröffnet, wird eine Galerie für zeitgenössische bildende Kunst sein, die wesentlich aus dem Fundus des Potsdam-Museums bestückt werden soll. Die Sammlung des Hauses mit mehr als 5200 Objekten entwickelte sich um eine Mitte der 1970er Jahre gegründete „Galerie sozialistische Kunst“, in die über Nachlässe und Schenkungen neben Arbeiten von DDR-Künstlern auch etliche vor 1945 entstandene Werke gelangten. Diese Sammlung wird nun gewissermaßen mehrgleisig erschlossen. Seit fast zwei Jahren läuft eine systematische Inventarisierung für das alle neuen Bundesländer umfassende Verbundprojekt „Bildatlas: Kunst in der DDR“. Ein Ergebnis des Projektes soll eine Ausstellung „Abschied von Ikarus – Bildwelten in der DDR neu gesehen“ sein, die am 3. Oktober 2012 in Weimar eröffnet werden soll. Ein anderes Ziel ist die Erfassung des Bestandes in einer Forschungsdatenbank.“ weiterlesen

„Nach dem Bilderstreit“

WDR 3 Mosaik. Das Kulturmagazin vom 30.11.2011: „Erfährt die Kunst der DDR eine neue Wertschätzung?

Seit wenigen Wochen präsentiert die Neuen Nationalgalerie in Berlin ihre Sammlung moderner Kunst ab 1945 in neuer Hängung. Erstmals wird die deutsch-deutsche Kunst ohne Tabus einander gegenübergestellt. Die neue Würdigung der DDR-Kunst lässt vergessen, dass ein Großteil der zwischen 1945-1990 entstandenen Werke in Museumsdepots lagern und aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden sind. Als Zeugnisse sozialistischer „Staatskunst“ waren sie nach 1990 Gegenstand heftiger Debatten. Eine Tagung des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam untersucht, was dieser „Bilderstreit“ über den Vereinigungsprozess aussagt und stellt den künftigen Verbleib dieser Kunstwerke zur Debatte.

Ein Gespräch mit Sigrid Hoff

„Kunst wirkt wie ein Seismograph“

ZZF-Historiker erklären anlässlich der Potsdamer Tagung zur DDR-Kunst, was sie aus Kunstwerken heute noch herauslesen können

pnn.de vom 30.11.2011: „Herr Danyel, Sie leiten ein Projekt zur DDR-Kunst. Was können Historiker aus Kunstwerken erfahren?

An Bilderreihen aus einer bestimmten Zeit lassen sich interessante Entwicklungen zeigen. Blickt man etwa auf die Malerei der DDR in den 1980er Jahren, lässt sich ein neuer Umgang mit Individualität und Subjektivität in der Gesellschaft erkennen. Zahlreiche Porträts zeigen bisher ungewohnte und eigenwillige Bilder von Menschen, die sich nicht mehr unter die damals offiziellen Vorstellungen vom normierten sozialistischen Leben subsumieren lassen. Kunst wirkt hier wie ein Seismograph und macht die Erosion von Herrschaft und politischer Kontrolle und gleichzeitig eine gewisse Endzeitstimmung sichtbar. Die ostdeutsche Gesellschaft hat sich verändert und die Kunst zeigt diesen Wandel. Im Übrigen auch wenn man sich die in dieser Zeit entstandenen Arbeiterbilder ansieht. Zahlreiche Selbstbildnisse von Künstlern aus den 1980er Jahren zeigen ebenfalls diese Veränderungen.

Sehr interessant! Was sehen Sie noch?

Ein Beispiel für einen anderen Blick der Kunst auf die Menschen und die Gesellschaft sind die teils düsteren Stadtlandschaften, die schonungslos heruntergekommene Altstädte und die Umweltverschmutzung mit einer neuen Bildsprache sichtbar machen. So liefert die Kunst spannende Einblicke in die späte DDR-Gesellschaft unmittelbar vor dem Umbruch.

SCHAARSCHMIDT: Interessant ist hier auch die zeitliche Abfolge. Es gibt neben der späten Phase auch die des Aufbaus, etwa mit Bildern von Eisenhüttenstadt und klassischen Bildern der Berliner Stalinallee. Anhand dieser Darstellungen kann man die zeitlichen Brüche sehr schön nachvollziehen. Mit einer Ausstellung wollen wir das anhand von Arbeiterporträts zeigen, den klassischen Ikonen der DDR, die zunächst sehr heroisch dargestellt wurden. Man kann das von Willi Sitte über Werner Tübke bis zu Wolfgang Mattheuer finden. In der Abfolge der vier Jahrzehnte der DDR gibt es sehr interessante Abwandlungen und Variationen, bis hin zu einer Spätphase, in der man fast schon von einer Ironisierung dieser Arbeiterporträts sprechen kann.

Was interessiert die Zeithistoriker 20 Jahre nach dem Mauerfall an der DDR-Kunst?

DANYEL: Zum einen die Tatsache, dass die DDR-Kunst zu einer Projektionsfläche für Diskussionen über den Prozess der deutschen Vereinigung geworden ist. Es gibt bis heute eine sehr heftige Auseinandersetzung darüber, wie man mit der DDR-Kunst umgehen, wie und wo man sie ausstellen soll, ob man sie überhaupt noch zeigen sollte. Zum anderen sind die Zeithistoriker auch aufgefordert, sich gegenüber neuen Quellen zu öffnen, mit denen sie ihre kulturgeschichtlich ausgerichteten Arbeiten untersetzen.

Wie kam es zu dem Projekt DDR-Kunst?

Der Auslöser war die Beobachtung, dass viele Kunstwerke aus der DDR nach 1989 aus den Sammlungen in die Depots verschwunden und damit nicht mehr öffentlich sichtbar sind. Es macht deshalb Sinn, sich einen Überblick über diese in der Öffentlichkeit nicht mehr präsenten Werke zu verschaffen, um auf dieser Grundlage nach neuen Wegen für einen differenzierten Umgang mit diesen Kunstbeständen zu suchen.

Ist die DDR-Kunst heute tatsächlich versteckt und vergessen?

SCHAARSCHMIDT: Viele der Kunstwerke lagern bereits seit der Nachwendezeit in Depots. Wir haben eine ganze Fülle von neuen Bildern bei unseren Recherchen zutage befördert. Nun geht es uns erst einmal darum, die Bestände zu sichten, ihren Wert einzuschätzen und zu einer Auseinandersetzung mit dieser Kunst einzuladen. Das verlangt natürlich, dass sie ins Bewusstsein gerückt wird. Dazu soll der „Bildatlas Kunst in der DDR“ dienen.

Wie wird dieser „Bildatlas“ aussehen?

DANYEL: Neben der Erfassung der verstreuten Bestände soll in dem Projekt auch die Kunst- und Sammlungspolitik der DDR näher erforscht werden. Die Ermittlung von Informationen zu einzelnen Werken und Sammlungen ist gleichzeitig die Grundlage für die Forschungsarbeit. Wir wollen wissen, wie die Bilder in die verschiedenen Sammlungen der DDR kamen: Wie wurde angekauft? Wer hat angekauft? Wie sind Künstler mit diesen Aufträgen umgegangen? Wie stark waren die Aufträge politisch motiviert? Es geht um eine ganze Gemengelage von mit dem Kunstsystem DDR und der staatlichen Kunstpolitik zusammenhängenden Faktoren, die mit dem Projekt erstmals systematisch erforscht werden. Als Grundlage für den „Bildatlas“ dient ein umfassendes Verzeichnis der Werke in einer Forschungsdatenbank, die später auch online für Kunstwissenschaftler, Kuratoren und Zeithistoriker zugänglich gemacht werden soll. Parallel dazu wird es eine Publikation geben, die vor allem eine Typologie der verschiedenen Sammlungen und der damit zusammenhängenden Bestandsbildungen versucht. Geplant ist überdies eine größere Ausstellung zur Kunst in der DDR.“ weiterlesen

Blauweiß ist die „Sehnsucht zurück […] und weit nach vorn die Hoffnung ins Bessere“ – „Romantischer Realismus“: Die Landschaftsmalerei Wolfgang Mattheuers und Romantikrezeption in der DDR

Einladung zum Abendvortrag von Anja Hertel (Leipzig)

Mittwoch, 30. November 2011, 19 Uhr, Einlass 18.30 Uhr

Albertinum, Hermann-Glöckner-Raum, Eingang Georg-Treu-Platz, Dresden

Der 24. November 1974 war ein wichtiges Datum für Dresden: An diesem Herbsttag eröffnete die erste Caspar-David-Friedrich Retrospektive nach 1945 in der DDR. Ein besonderes Ereignis! Denn bis zu diesem Zeitpunkt war es dem ostdeutschen Publikum selten möglich gewesen, die Malerei der Romantik vor Originalen kennen zu lernen: Die Epoche galt als eines der Tabu-Kapitel in der frühen DDR.

Aber im Dresdener Albertinum wurden nicht nur Friedrichs Werke gezeigt, sondern parallel dazu – in drei benachbarten Räumen – um die 300 Gemälde und Grafiken des Leipziger Malers Wolfgang Mattheuer. Initiator dieser Gegenüberstellung eines Romantikers mit einem Gegenwartskünstler war Joachim Uhlitzsch, damaliger Direktor der Gemäldegalerie Neue Meister.

Die Parallelausstellung mit Caspar David Friedrich rückte den Fokus auf die Landschaftsgemälde Mattheuers. Waren bisher eher Figurenbilder wie „Kain“ oder „Die Ausgezeichnete“ Gegenstand angeregter Publikumsdiskussionen gewesen, richtete sich das Interesse der Kunstkritik nun auf die Landschaft und ihre Sinnebenen. Landschaft als Bedeutungsträger – in der Malerei der DDR spielte dieses romantische Konzept eine besondere Rolle, um auch politischen Gedanken einen Raum zu geben. Horizonte weiten den Blick, überwinden Grenzen und fordern zu ihrer Überschreitung auf.

Der Vortrag zeigt dies anhand von Beispielen aus dem Bestand der Dresdner Galerie Neue Meister.

Anja Hertel, 1980 in Werdau geboren, studierte Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Leipzig. Ab 2004 studentische, dann bis 2006 wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Kunstgeschichte Leipzig: Lehrauftrag und Projektleitung „Digitale Medien in der Kunstgeschichte“. Dissertationsschrift „Wolfgang Mattheuer. Die politische Landschaft“ bei Prof. Dr. Frank Zöllner (eingereicht). Mitwirken an zahlreichen Projekten zu W. Mattheuer: Vorträge und Publikationen für die Galerie Schwind/Leipzig, das Vogtlandmuseum Plauen, das Museum der bildenden Künste Leipzig und die Kunstsammlungen Chemnitz.