„Das Potsdam-Museum erschließt seinen Kunstbestand / Verbundprojekt zur DDR-Kunst“

Märkische Allgemeine vom 1.12.2011: „Jahrzehnte führte die „Galerie sozialistische Kunst“ des Potsdam-Museums ein Schattendasein im Depot. Ihre Erschließung deckt sich mit der Suche nach „neuen Zugängen“. „Nach dem Bilderstreit – Neue Zugänge zur Kunst aus der DDR?“ war das Thema einer sehr gut besuchten Podiumsdiskussion am Dienstagabend in der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Museumsdirektorin Jutta Götzmann berichtete dort von einem ihrer ersten Ausstellungsprojekte in Potsdam: Das Konzept für „Freiheit der Idee – 7 mal Kunst vor ’89“, zum Jahreswechsel 2009/10 im Museumshaus Benkertstraße und in der Galerie Ruhnke entstand auch als Reaktion auf die Ausstellung „Sechzig Jahre. Sechzig Werke. Kunst aus der Bundesrepublik Deutschland von ’49 bis ’09“ im Martin-Gropius-Bau, die ostdeutsche Kunst komplett aussparte. Eine Begründung dafür, die am Dienstag am späteren Abend auch aus dem Publikum geäußert wurde, lautete, dass in einem unfreien System keine Kunst entstehen könne. Götzmann und Galerist Werner Ruhnke als zweiter Kurator nahmen genau dieses Thema auf und befragten sieben Künstler ostdeutscher Herkunft zu den Umständen und Beweggründen ihres Schaffens vor dem Mauerfall. Götzmann verglich das Projekt mit der wissenschaftlichen Arbeit von Gedenkstätten, bei der Zeitzeugengespräche ein selbstverständlicher Bestandteil seien. Im Streit um die DDR-Kunst werde die Chance oftmals verpasst, den Blickwinkel des Künstlers „erfragen zu können“.

Wichtiger Teil des neuen Potsdam-Museums, das 2012 und 2013 in mehreren Etappen am Alten Markt eröffnet, wird eine Galerie für zeitgenössische bildende Kunst sein, die wesentlich aus dem Fundus des Potsdam-Museums bestückt werden soll. Die Sammlung des Hauses mit mehr als 5200 Objekten entwickelte sich um eine Mitte der 1970er Jahre gegründete „Galerie sozialistische Kunst“, in die über Nachlässe und Schenkungen neben Arbeiten von DDR-Künstlern auch etliche vor 1945 entstandene Werke gelangten. Diese Sammlung wird nun gewissermaßen mehrgleisig erschlossen. Seit fast zwei Jahren läuft eine systematische Inventarisierung für das alle neuen Bundesländer umfassende Verbundprojekt „Bildatlas: Kunst in der DDR“. Ein Ergebnis des Projektes soll eine Ausstellung „Abschied von Ikarus – Bildwelten in der DDR neu gesehen“ sein, die am 3. Oktober 2012 in Weimar eröffnet werden soll. Ein anderes Ziel ist die Erfassung des Bestandes in einer Forschungsdatenbank.“ weiterlesen

„Nach dem Bilderstreit“

WDR 3 Mosaik. Das Kulturmagazin vom 30.11.2011: „Erfährt die Kunst der DDR eine neue Wertschätzung?

Seit wenigen Wochen präsentiert die Neuen Nationalgalerie in Berlin ihre Sammlung moderner Kunst ab 1945 in neuer Hängung. Erstmals wird die deutsch-deutsche Kunst ohne Tabus einander gegenübergestellt. Die neue Würdigung der DDR-Kunst lässt vergessen, dass ein Großteil der zwischen 1945-1990 entstandenen Werke in Museumsdepots lagern und aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden sind. Als Zeugnisse sozialistischer „Staatskunst“ waren sie nach 1990 Gegenstand heftiger Debatten. Eine Tagung des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam untersucht, was dieser „Bilderstreit“ über den Vereinigungsprozess aussagt und stellt den künftigen Verbleib dieser Kunstwerke zur Debatte.

Ein Gespräch mit Sigrid Hoff

„Kunst wirkt wie ein Seismograph“

ZZF-Historiker erklären anlässlich der Potsdamer Tagung zur DDR-Kunst, was sie aus Kunstwerken heute noch herauslesen können

pnn.de vom 30.11.2011: „Herr Danyel, Sie leiten ein Projekt zur DDR-Kunst. Was können Historiker aus Kunstwerken erfahren?

An Bilderreihen aus einer bestimmten Zeit lassen sich interessante Entwicklungen zeigen. Blickt man etwa auf die Malerei der DDR in den 1980er Jahren, lässt sich ein neuer Umgang mit Individualität und Subjektivität in der Gesellschaft erkennen. Zahlreiche Porträts zeigen bisher ungewohnte und eigenwillige Bilder von Menschen, die sich nicht mehr unter die damals offiziellen Vorstellungen vom normierten sozialistischen Leben subsumieren lassen. Kunst wirkt hier wie ein Seismograph und macht die Erosion von Herrschaft und politischer Kontrolle und gleichzeitig eine gewisse Endzeitstimmung sichtbar. Die ostdeutsche Gesellschaft hat sich verändert und die Kunst zeigt diesen Wandel. Im Übrigen auch wenn man sich die in dieser Zeit entstandenen Arbeiterbilder ansieht. Zahlreiche Selbstbildnisse von Künstlern aus den 1980er Jahren zeigen ebenfalls diese Veränderungen.

Sehr interessant! Was sehen Sie noch?

Ein Beispiel für einen anderen Blick der Kunst auf die Menschen und die Gesellschaft sind die teils düsteren Stadtlandschaften, die schonungslos heruntergekommene Altstädte und die Umweltverschmutzung mit einer neuen Bildsprache sichtbar machen. So liefert die Kunst spannende Einblicke in die späte DDR-Gesellschaft unmittelbar vor dem Umbruch.

SCHAARSCHMIDT: Interessant ist hier auch die zeitliche Abfolge. Es gibt neben der späten Phase auch die des Aufbaus, etwa mit Bildern von Eisenhüttenstadt und klassischen Bildern der Berliner Stalinallee. Anhand dieser Darstellungen kann man die zeitlichen Brüche sehr schön nachvollziehen. Mit einer Ausstellung wollen wir das anhand von Arbeiterporträts zeigen, den klassischen Ikonen der DDR, die zunächst sehr heroisch dargestellt wurden. Man kann das von Willi Sitte über Werner Tübke bis zu Wolfgang Mattheuer finden. In der Abfolge der vier Jahrzehnte der DDR gibt es sehr interessante Abwandlungen und Variationen, bis hin zu einer Spätphase, in der man fast schon von einer Ironisierung dieser Arbeiterporträts sprechen kann.

Was interessiert die Zeithistoriker 20 Jahre nach dem Mauerfall an der DDR-Kunst?

DANYEL: Zum einen die Tatsache, dass die DDR-Kunst zu einer Projektionsfläche für Diskussionen über den Prozess der deutschen Vereinigung geworden ist. Es gibt bis heute eine sehr heftige Auseinandersetzung darüber, wie man mit der DDR-Kunst umgehen, wie und wo man sie ausstellen soll, ob man sie überhaupt noch zeigen sollte. Zum anderen sind die Zeithistoriker auch aufgefordert, sich gegenüber neuen Quellen zu öffnen, mit denen sie ihre kulturgeschichtlich ausgerichteten Arbeiten untersetzen.

Wie kam es zu dem Projekt DDR-Kunst?

Der Auslöser war die Beobachtung, dass viele Kunstwerke aus der DDR nach 1989 aus den Sammlungen in die Depots verschwunden und damit nicht mehr öffentlich sichtbar sind. Es macht deshalb Sinn, sich einen Überblick über diese in der Öffentlichkeit nicht mehr präsenten Werke zu verschaffen, um auf dieser Grundlage nach neuen Wegen für einen differenzierten Umgang mit diesen Kunstbeständen zu suchen.

Ist die DDR-Kunst heute tatsächlich versteckt und vergessen?

SCHAARSCHMIDT: Viele der Kunstwerke lagern bereits seit der Nachwendezeit in Depots. Wir haben eine ganze Fülle von neuen Bildern bei unseren Recherchen zutage befördert. Nun geht es uns erst einmal darum, die Bestände zu sichten, ihren Wert einzuschätzen und zu einer Auseinandersetzung mit dieser Kunst einzuladen. Das verlangt natürlich, dass sie ins Bewusstsein gerückt wird. Dazu soll der „Bildatlas Kunst in der DDR“ dienen.

Wie wird dieser „Bildatlas“ aussehen?

DANYEL: Neben der Erfassung der verstreuten Bestände soll in dem Projekt auch die Kunst- und Sammlungspolitik der DDR näher erforscht werden. Die Ermittlung von Informationen zu einzelnen Werken und Sammlungen ist gleichzeitig die Grundlage für die Forschungsarbeit. Wir wollen wissen, wie die Bilder in die verschiedenen Sammlungen der DDR kamen: Wie wurde angekauft? Wer hat angekauft? Wie sind Künstler mit diesen Aufträgen umgegangen? Wie stark waren die Aufträge politisch motiviert? Es geht um eine ganze Gemengelage von mit dem Kunstsystem DDR und der staatlichen Kunstpolitik zusammenhängenden Faktoren, die mit dem Projekt erstmals systematisch erforscht werden. Als Grundlage für den „Bildatlas“ dient ein umfassendes Verzeichnis der Werke in einer Forschungsdatenbank, die später auch online für Kunstwissenschaftler, Kuratoren und Zeithistoriker zugänglich gemacht werden soll. Parallel dazu wird es eine Publikation geben, die vor allem eine Typologie der verschiedenen Sammlungen und der damit zusammenhängenden Bestandsbildungen versucht. Geplant ist überdies eine größere Ausstellung zur Kunst in der DDR.“ weiterlesen

Blauweiß ist die „Sehnsucht zurück […] und weit nach vorn die Hoffnung ins Bessere“ – „Romantischer Realismus“: Die Landschaftsmalerei Wolfgang Mattheuers und Romantikrezeption in der DDR

Einladung zum Abendvortrag von Anja Hertel (Leipzig)

Mittwoch, 30. November 2011, 19 Uhr, Einlass 18.30 Uhr

Albertinum, Hermann-Glöckner-Raum, Eingang Georg-Treu-Platz, Dresden

Der 24. November 1974 war ein wichtiges Datum für Dresden: An diesem Herbsttag eröffnete die erste Caspar-David-Friedrich Retrospektive nach 1945 in der DDR. Ein besonderes Ereignis! Denn bis zu diesem Zeitpunkt war es dem ostdeutschen Publikum selten möglich gewesen, die Malerei der Romantik vor Originalen kennen zu lernen: Die Epoche galt als eines der Tabu-Kapitel in der frühen DDR.

Aber im Dresdener Albertinum wurden nicht nur Friedrichs Werke gezeigt, sondern parallel dazu – in drei benachbarten Räumen – um die 300 Gemälde und Grafiken des Leipziger Malers Wolfgang Mattheuer. Initiator dieser Gegenüberstellung eines Romantikers mit einem Gegenwartskünstler war Joachim Uhlitzsch, damaliger Direktor der Gemäldegalerie Neue Meister.

Die Parallelausstellung mit Caspar David Friedrich rückte den Fokus auf die Landschaftsgemälde Mattheuers. Waren bisher eher Figurenbilder wie „Kain“ oder „Die Ausgezeichnete“ Gegenstand angeregter Publikumsdiskussionen gewesen, richtete sich das Interesse der Kunstkritik nun auf die Landschaft und ihre Sinnebenen. Landschaft als Bedeutungsträger – in der Malerei der DDR spielte dieses romantische Konzept eine besondere Rolle, um auch politischen Gedanken einen Raum zu geben. Horizonte weiten den Blick, überwinden Grenzen und fordern zu ihrer Überschreitung auf.

Der Vortrag zeigt dies anhand von Beispielen aus dem Bestand der Dresdner Galerie Neue Meister.

Anja Hertel, 1980 in Werdau geboren, studierte Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Leipzig. Ab 2004 studentische, dann bis 2006 wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Kunstgeschichte Leipzig: Lehrauftrag und Projektleitung „Digitale Medien in der Kunstgeschichte“. Dissertationsschrift „Wolfgang Mattheuer. Die politische Landschaft“ bei Prof. Dr. Frank Zöllner (eingereicht). Mitwirken an zahlreichen Projekten zu W. Mattheuer: Vorträge und Publikationen für die Galerie Schwind/Leipzig, das Vogtlandmuseum Plauen, das Museum der bildenden Künste Leipzig und die Kunstsammlungen Chemnitz.

Der geteilte Himmel. 1945 – 1968. Die Sammlung der Neuen Nationalgalerie

Neue Nationalgalerie, Potsdamer Straße 50, 10785 Berlin

11. November 2011 – 31. März 2013

Nach „Moderne Zeiten. Die Sammlung. 1900-1945“ folgt im November 2011 der zweite Teil der Präsentation zur Kunst des 20. Jahrhunderts aus der Sammlung der Nationalgalerie.

Wirtschaftswunder und Bau der Mauer, Kuba-Krise und Vietnam-Krieg, Sputnik und Apollo, Kennedy und Mao – schroffe Kontraste und harte Fronten prägten die Jahre zwischen 1945 und 1968. Die bildende Kunst dieser Zeit war von der Atmosphäre des ‚Kalten Krieges‘ und den damit verbundenen politischen Ideologien erheblich beeinflusst. Ost und West trennten vor allem zwei große Wege, die Figuration und die Abstraktion. Die offene Struktur der abstrakten oder auch informellen Kunst verklärte der Westen zum Symbol der Freiheit. Auch die darauf folgende Pop-art war keineswegs zufällig in den Großstädten des Westens entstanden, wo man die Phänomene der Massenproduktion und des ausufernden Konsums direkt vor Augen hatte. Im Ostblock wiederum stellte der sozialistische Realismus einen elementaren Ausgangspunkt für weitere Entwicklungen dar. Hier geriet der Mensch zum Maßstab aller Dinge, wurde die „conditio humana“ von den Künstlern und Künstlerinnen in den Mittelpunkt ihres Schaffens gestellt.

Unter dem Titel „Der geteilte Himmel“ (benannt nach einem Roman von Christa Wolf) stellt die Neue Nationalgalerie die Hauptpositionen dieser Epoche vor. Dabei geht der Blick über alle Grenzen hinweg und richtet sich auf übergreifende Kunstideen. Im Mittelpunkt des „geteilten Himmels“ stehen die internationalen Diskrepanzen: das Nebeneinander der Stile und Künste, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen.

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Presse:

art vom 30.1.2012

monopol vom 11.1.2012

Neues Deutschland vom 3.01.2012

Mitteldeutsche Zeitung vom 6. Dezember 2011

zeit online vom 22. November 2011

welt online vom 11.November 2011

zeit online vom 11.November 2011

Berliner Zeitung vom 11.November 2011

Begegnungen- Otto Niemeyer-Holstein und Günter Rössler. Malerei und Fotografie

Neue Galerie im Atelier Otto Niemeyer-Holstein, Lüttenort, 17459 Koserow, Insel Usedom

29.Oktober 2011 bis 9.April 2012

Der Fotograf Günter Rössler, der Anfang des Jahres seinen 85. Geburtstag feierte, war mit Otto Niemeyer- Holstein befreundet. Die Besuche im Atelier ONH bewegten Günter Rössler, seine Eindrücke fotografisch festzuhalten, Otto Niemeyer- Holstein inspirierten Günter Rösslers Modelle zu Gemälden und Zeichnungen.

Der wohl populärste Aktfotograf in der damaligen DDR, Günter Rössler, produzierte Modestrecken für Magazine wie “Sybille” und “Das Magazin”, aber mit seinen Aktaufnahmen hat er sich einen Namen über die Grenzen der DDR hinweg gemacht. Günter Rössler begann ein Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Fotografenlehre und studierte von 1947 an  der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Seit 1951 arbeitete er zunächst als Mode-, Reportage- und Werbefotograf und wurde in den sechziger Jahren einer der Pioniere der Aktfotografie in der DDR. Seine erste Ausstellung im Kunsthaus von Grimma erregte 1979 Aufsehen, seine Bilder galten jedoch nicht als anstößig und so konnten auch Schulklassen sie sehen. Rössler ist die ganze Zeit der analogen Fotografie treu geblieben. Sein Archiv umfasst heute tausende von Negativen und Abzügen.

Das Museum Atelier Otto Niemeyer-Holstein wurde als solches aufgrund eines testamentarischen Vermächtnisses 1985 eröffnet. Seitdem präsentiert es die Kunst des Malers Otto Niemeyer-Holstein und seines Freundeskreises. Durch eine bauliche Erweiterung vor zehn Jahren werden jährich thematisch wechselnde Ausstellungen gezeigt.

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Impressionen einer Großstadt

Rathaus Rüdersdorf, Hans-Striegelski-Straße 5, 15562 Rüdersdorf bei Berlin

ab 8. November 2011 – 31. Januar 2012

BlickPunkt vom 2.11.2011: „In die Werke der DDR-Künstlerelite kann ab dem 8. November im Rathaus in Rüdersdorf eingetaucht werden. Eröffnet wird eine Ausstellung mit Werken unter anderem von Walter Womacka, Wolfgang Leber, Fritz Cremer, Eva und Hans Vent, Sylvia Hagen, Harald Metzkes,Walter Herzog und Harald Kretschmar, die in Bildern ihre ganz eigene Sicht auf die Stadt Berlin der 70er und 80er Jahre spiegeln. Eröffnet wird die Ausstellung am 8. November um 15.00 Uhr im Rathaus in der Hans-Striegelski-Straße 5. Besichtigt werden können die Arbeiten dann zu den Öffnungszeiten des Bürgerbüros: Montag, Mittwoch und Donnerstag von 9.00 bis 17.00 Uhr, Dienstag von 9.00 bis 19.00 Uhr und Freitag von 9.00 bis 15.00 Uhr.“

Gerhard Altenbourg 1926-1989. Frühe Werke

Neue Nationalgalerie, Potsdamer Straße 50, 10785 Berlin

11. November 2011 – 4. März 2012

Im Rahmen der Ausstellungsreihe „Kabinett in der Galerie“ zeigt das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin in der Neuen Nationalgalerie anlässlich der hier präsentierten ständigen Ausstellung „Der geteilte Himmel“. Die Sammlung 1945-1968″, zwanzig zum Teil großformatige Zeichnungen und Graphiken von Gerhard Altenbourg.

Gerhard Altenbourg (eigentlicher Name: Gerhard Ströch), der zurückgezogen in Altenburg in Thüringen lebte, schuf als nonkonformistischer Einzelgänger in konsequenter Distanz zu den kulturpolitischen Direktiven der DDR ein singuläres, mehr als 6000 Arbeiten – hauptsächlich Zeichnungen und Graphik – umfassendes Œuvre, mit dem er zu den bedeutendsten deutschen Künstlern der Nachkriegszeit in dieser Gattung zählt. Altenbourgs Lebensauffassung und seine Gedankenwelt – gespeist durch seine literarische Bildung – waren der Stoff, aus dem sein Werk erwuchs.

Seine künstlerischen Anfänge standen im Zeichen der traumatischen Kriegserlebnisse, mit denen er – Sohn eines freikirchlichen Pfarrers, zur christlichen Ethik erzogen – als achtzehnjähriger Soldat konfrontiert worden war und die ihn bleibend prägten. Die ausgestellte monumentale Ecce homo-Zeichnung ist ein Zeugnis der tiefen seelischen Verletzung des jungen Künstlers, der seine Abscheu gegenüber einer im Krieg pervertierten Zivilisation durch ein chaotisch-bedrohliches Innenleben des dargestellten männlichen Korpus mit Wunden und Narben, gleichsam durch ein „Enthauten“, zum Ausdruck brachte. Diese außergewöhnliche Zeichnung befindet sich seit 2008 als Dauerleihgabe der Ernst von Siemens Kunststiftung im Berliner Kupferstichkabinett.

Altenbourg hat in seiner Kunst nie die DDR angegriffen; sein Werk ist im Gesamtcharakter unpolitisch, nur in einem vermittelten Sinn konnte es in der DDR als „subversiv“ aufgefasst werden, weil es die offiziellen Erwartungen an die Kunst zur Mitwirkung an der sozialistischen Aufbauarbeit unterlief. In einem Interview von 1987 bekannte der Künstler: „Bei mir gibt es kein politisches Denken, weil mein Denken über die gesellschaftlichen Formen hinausgeht. Im Sozialismus und im Kapitalismus wird man geboren und stirbt man. Im Sterben aber ist das Ich ganz allein, da hilft kein Sozialismus und kein freier Markt.“

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Oliver Sukrow: „Lea Grundig: Sozialistische Künstlerin und Präsidentin des Verbandes Bildender Künstler in der DDR (1964-1970)“

Reihe: DDR-Studien/ East German Studies – Band 18

Über das Buch:

Die Studie widmet sich Lea Grundig (1906-1977) als Präsidentin des Verbandes der Bildenden Künstler Deutschlands (VBKD) von 1964 bis 1970. Nach Inhaftierung und Verfolgung während der NS-Diktatur flüchtete Grundig 1940 nach Palästina und kehrte 1949 nach Deutschland zurück, wo sie zur Professorin für Graphik an der Dresdner Kunstakademie berufen wurde. Sie gehörte zur «Weimarer Generation» von bildenden Künstlern und genoss in der ehemaligen DDR hohes Ansehen. Im Jahre 1964 erfolgte die Wahl Grundigs zur neuen Präsidentin des VBKD. Sie war die erste und einzige Frau an der Spitze des ostdeutschen Künstlerverbandes.
Lag das Hauptaugenmerk der Forschung bislang auf dem Wandel Grundigs während der 50er und 60er Jahre zur angepassten und konservativen Kulturfunktionärin, beleuchtet diese kunsthistorisch-zeitgeschichtliche Studie erstmals anhand von bislang unbeachteten Archivunterlagen der Akademie der Künste zu Berlin die Faktoren, Maßnahmen und Auswirkungen der Präsidentschaftszeit Grundigs. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Beziehungen der Grundig zu Israel vor der Folie des staatlichen Antizionismus und Holocaust-Gedenken in der DDR, den deutsch-deutschen Kunstbeziehungen, den Diskursen innerhalb des VBKD sowie dem Verhältnis des VBKD zu den kulturpolitischen Liberalisierungsbewegungen in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik sowie in der Volksrepublik Polen.

Inhalt:

Äußere und innere Bedingungen der Verbandspräsidentschaft Lea Grundigs – Zur Struktur des VBKD – Anmerkungen zu Lea Grundigs Biografie, OEuvre und Selbstzeugnissen zur Kunsttheorie – Der V. Verbandskongress und die Wahl Lea Grundigs zur neuen Verbandspräsidentin im Jahre 1964 – Das Verhältnis Lea Grundigs zu Israel vor dem Hintergrund der DDR-Nahostpolitik und dem Holocaust-Gedenken in der DDR – Der VBKD und die engagierte, sozialkritische Kunst in der Bundesrepublik – Debatten und Problemstellungen innerhalb des VBKD – Der VBKD und die Niederschlagung des «Prager Frühlings» im August 1968.

Autor:

Oliver Sukrow studierte Kunstgeschichte und Baltistik an den Universitäten Greifswald, Salzburg und Colchester und schloss 2010 mit einem Master of Arts im Fachgebiet Kunstgeschichte an der Universität Greifswald ab. Seit 2011 ist er Mitarbeiter am BMBF-Verbundprojekt Bildatlas: Kunst in der DDR der Technischen Universität Dresden.

Erschienen im Peter Lang Verlag, Oxford, Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Wien, 2011.

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Col.: Räume der Bilder. Die Kunst in der DDR im Spiegel der Sammlungen

2. Colloquium des BMBF-Verbundprojekts Bildatlas: Kunst in der DDR

Dienstag, 29. bis Mittwoch, 30. November 2011

Veranstaltungsorte:

Truman-Villa, Karl-Marx-Straße 2, 14482 Potsdam-Babelsberg

Zentrum für Zeithistorische Forschung, Am Neuen Markt 9d, 14467 Potsdam

Im Mittelpunkt der Diskussion stehen die Genese und Geschichte wichtiger Sammlungen zur Kunst in der DDR, deren Spezifik und Prägung durch den staatlich organisierten und politisch kontrollierten Kunstbetrieb in der DDR. Vorgestellt werden Forschungsergebnisse aus dem Kontext des Verbundprojekts „Bildatlas: Kunst in der DDR“, dessen Ziel eine systematische Bestandserhebung und die Dokumentation der Sammlungsgeschichte der ostdeutschen Kunst ist.

Teil des Colloquiums ist eine öffentliche Podiumsdiskussion „Nach dem Bilderstreit. Neue Perspektiven auf die Kunst aus der DDR?“ Mit ihr wird die Frage diskutiert, wie mit dem künstlerischen Erbe der DDR jenseits der Zuspitzungen des deutsch-deutschen Bilderstreits umgegangen werden kann. Im Fokus wird dabei nicht zuletzt die Situation in Berlin und Brandenburg stehen. Eine Einführung in die Bestände des Potsdam-Museums zur DDR-Kunst durch dessen Leiterin Dr. Jutta Götzmann und ein anschließender Besuch auf der Baustelle des Museums in der im Wiederaufbau befindlichen historischen Mitte Potsdams runden das Programm ab.

zum Programm RÄUME DER BILDER