Museum und Sammlung zwischen Kunst und Politik: Die Gemäldegalerie Neue Meister zur Zeit der DDR. Ein Bericht aus dem dreijährigen Forschungsprojekt „Bildatlas: Kunst in der DDR“

Ein Vortrag von Simone Fleischer und Kathleen Schröter, Mitarbeiterinnen des Projektes „Bildatlas: Kunst in der DDR“

Donnerstag, 3. Mai 2012, 19 Uhr, Einlass 18.30 Uhr

Albertinum, Hermann-Glöckner-Raum, Eingang Georg-Treu-Platz, Dresden

Seit Mai 2009 wird in der Galerie Neue Meister intensiv zum Gemäldebestand aus der DDR gearbeitet. Die über sechshundertfünfzig Gemälde wurden dabei erfasst, dokumentiert und unter kunsthistorischen Gesichtspunkten befragt.

Im Mittelpunkt der Forschung stand ihre Erwerbung: Auf welchen Wegen kamen die Bilder in die Sammlung, wie groß war die Entscheidungsbefugnis der Direktoren und ihrer Mitarbeiter und welche politischen Institutionen übten Einfluss auf die Sammlungspolitik aus? Aus welchen Bildern setzt sich der Bestand zusammen, welchen Stellenwert hatte die zeitgenössische Malerei der DDR, welche Künstler wurden bevorzugt, welche blieben außen vor?

Dies sind einige der Fragen, mit denen sich zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des Forschungsprojektes an der Galerie Neue Meister auseinandergesetzt haben. An dem Abend stellen sie die Ergebnisse ihrer dreijährigen Tätigkeit vor.

Wir würden uns sehr freuen, Sie an diesem Abend begrüßen zu dürfen.

Der Vortrag findet im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojektes „Bildatlas: Kunst in der DDR“ statt, das sich der Dokumentation und Aufarbeitung von Malerei aus der DDR widmet, sowie deren Rezeption und die Wege der Bilder in verschiedene Sammlungen nachzeichnen will. „Bildatlas: Kunst in der DDR“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der TU Dresden, der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und dem Kunstarchiv Beeskow.

Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

Kathleen Schröter/ Simone Fleischer (Galerie Neue Meister),

Tel. 0351 4914-9742; Kathleen.Schroeter@skd.museum / Simone.Fleischer@skd.museum

„Bildatlas DDR: Thüringer Museen präsentieren ostdeutsche Kunst“

Im Herbst wagen Thüringer Museen in Weimar, Erfurt und Gera einen neuen Blick auf Kunst, die zu DDR-Zeiten entstand.

OTZ.de vom 19.4.2012: „Der Eklat des Kulturstadtjahres Weimar ’99 haftet noch tief in den Gedächtnisrinden deutsch-deutscher Kunstfreunde. Damals hatte die Ausstellung „Aufstieg und Fall der Moderne“ im ehemaligen Gauforum insbesondere durch die Art der Präsentation von Kunstwerken aus der DDR heftige und polemische Debatten ausgelöst. Jetzt wagt die Klassik-Stiftung einen neuen Anlauf: Auf der Basis des umfangreichen, dreijährigen Forschungsprojektes „Bildatlas: Kunst aus der DDR“ zeigt sie ab 19. Oktober im Neuen Museum die Schau „Abschied von Ikarus“ mit einem thematisch gegliederten Querschnitt ostdeutscher Malerei. Flankiert wird diese Unternehmung durch Ausstellungen im Angermuseum Erfurt und in der Orangerie der Geraer Kunstsammlung.

Etwa 180 Werke werden dabei in Weimar zu sehen sein, und Spannung verspricht dieser Einblick in den jüngsten Abschnitt der Kunstgeschichte schon allein durch die Ankündigung vieler vergessener, wieder neu zu entdeckender Künstler und Bilder: Josep Renaus „Die friedliche Nutzung der Atomenergie“ beispielsweise oder Lothar Zitzmanns „Kosmonauten“, A. R. Pencks frühe „Systembilder“ oder Heidrun Hegewalds „Kassandra“-Deutung. Viele der Arbeiten wurden bei den Recherchen zum „Bildatlas DDR“ in Sonderdepots oder in Regionalmuseen ausfindig gemacht, manche davon gelten – wie Zitzmann in Gera – als regelrechte Trouvaillen.

Daran, dass die nach wie vor schwelende deutsch-deutsche Kunstdebatte den drei Ausstellungen in Thüringen eminente überregionale Aufmerksamkeit bescheren wird, hegen Professor Wolfgang Holler, Direktor Museen der Klassik-Stiftung, und seine Mitstreiter keine Zweifel. Einen „heißen Herbst“ fürchtet er jedoch nicht. „Wir sind uns unserer Sache sehr sicher“, sagte er am Mittwoch.

Denn der „Bildatlas DDR“ liefere eine Materialbasis von 20.000 Einzelwerken aus 160 Museen, Sammlungen und Depots, um zumindest „wesentliche Merkmale“, so Holler, von Kunst in der DDR exemplarisch herauszuarbeiten. Erstellt wurde das Kompendium in einem Verbundprojekt der Staatlichen Kunstsammlungen und der TU Dresden, des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam und des Kunstarchivs Beeskow.

„Die Ausgangsbeobachtung war: Die meisten Kunstwerke aus der DDR sind in Depots eingelagert“, erklärt Professor Karl-Siegbert Rehberg als Projektkoordinator. Nun ist der „Bildatlas“ in Kürze zumindest per Datenbank verfügbar und soll, zumindest in Auszügen, gedruckt werden. Auch nur annähernde Vollständigkeit war mit dem aus Mitteln des Bundesforschungsministeriums finanzierten Projekt freilich nicht zu erzielen, beklagt Rehbergs Dresdner Kollege Paul Kaiser. Dennoch: Die Wissenschaft widmet sich mit neuem Elan der Aufarbeitung des ostdeutschen Bilderkosmos und seiner Themen.

Eine Klassifizierung der Akteure in Staatskünstler, Bohemiens und Dissidenten mag dabei eher ein nachrangiger Aspekt sein. Für die Weimarer Schau wählen Kaiser & Co. bewusst den thematischen Zugang über den mythologischen Flugschüler Ikarus – als Sinnbild gescheiterter Utopien. Von Kunst-Stars wie Wolfgang Mattheuer und Bernhard Heisig wird da die Rede sein, aber auch von vielen heute Unbekannten, von durchaus euphorischen „technokratischen Utopien“ ebenso wie von einer gebrochen-melancholischen Antike-Rezeption, von politisch systemkonformen, ja propagandistischen Ausdeutungen wie von subversiv gewendeten Ikonografien.

Ähnliche Schau-Aufgaben stehen dann zeitgleich den Besuchern des Erfurter Angermuseums und der Geraer Orangerie bevor; die eine Ausstellung zeigt Atelierbilder und Künstlermythen und damit Selbstreflexionen von DDR-Künstlern unter dem Titel „Schaffens(t)räume“, die andere christliche Bilder in einer atheistischen Welt unter dem Motto „Tischgespräch mit Luther“. Man wird, das ist vorhersehbar, die Grand Tour entlang dieser drei Thüringer Wegmarken des „Bildatlas“ an einem einzigen Tage nicht bewältigen können – Kulturreisende von auswärts sind umso herzlicher willkommen. Daneben will Rehberg später weitere Expositionen anregen, etwa im Westen unserer Republik oder in Frankreich.“ weiterlesen

zum Thema:

„Abschied von Ikarus“ in Weimar, Erfurt und Gera (OTZ.de vom 19.4.2012)

„Kunsthalle: Plattner baut – wenn Potsdam will“

Der Mäzen und Softwaremilliardär Hasso Plattner hat seine Pläne für die Kunsthalle präzisiert, die er der Landeshauptstadt schenken und mit seiner Förderstiftung dauerhaft betreiben und ausstatten will.

pnn.de vom 14.4.2012: „Im PNN-Interview sagte Plattner am Freitag, er wolle „etwas schaffen, was auch in einhundert Jahren noch da ist und Wert hat, wenn sich niemand mehr erinnert, wer Hasso Plattner war“. Potsdam sei dafür ein idealer Ort. „Die Stadt ist selbst ein ästhetisches Kunstwerk, hat aber keine Kunsthalle.“

In dem Museum will Plattner als erstes eine Dauerausstellung mit Werken der vergangenen 60 Jahre aus der ehemaligen DDR und den neuen Bundesländern zeigen. Die Erstellung dieser Sammlung habe er bereits in Auftrag gegeben. Langfristig soll seine dem Vernehmen nach sehr wertvolle private Kunstsammlung mit Werken der Klassischen Moderne in der Potsdamer Kunsthalle ihre Heimstatt finden. „Ich möchte vorsorgen, dass, wenn bei mir einmal der Erbfall eintritt, meine Sammlung, meine Bilder, die ich über viele Jahre erworben habe, nicht bei einer Auktion bei Sotheby’s oder Christies auseinander gerissen werden“, sagte Plattner. Die Werke würden „über die Zeit in das neue Museum einziehen“, versprach er.

Plattner betonte, seine Kunsthalle müsse in Potsdam gewollt sein: „Ich will nichts aufzwingen. Wenn ich das Gefühl habe, dass sie nicht gewollt wird, dann werde ich es nicht machen.“ Er habe „überhaupt keinen Grund, mich gegen die Bevölkerung in der Stadt zu stellen, selbst wenn es eine Minderheit ist“. Die Kunsthalle sei ihm ein Anliegen, „das von vorne bis hinten Freude machen soll. Wenn es die nicht macht, werde ich es nicht tun“.

Plattner bekräftigte, dass er die Kunsthalle am liebsten vis-à-vis des Stadtschlosses auf dem Grundstück errichten möchte, wo jetzt der Plattenbau des Hotel Mercure steht: „Für eine Kunsthalle gibt es in Deutschland kein schöneres Grundstück.“ Stehe es zur Verfügung, werde er die Fläche durch die Hasso Plattner Förderstiftung erwerben. Doch über den für den Bau der Kunsthalle nötigen Abriss des Hotel Mercure müssten die Potsdamer entscheiden: „Das ist eine Sache, die die Stadt mit sich, mit der Bürgerschaft austragen muss. Das muss Potsdam entscheiden.“ Sollte er an diesem Standort bauen können, kündigte Plattner für die Kunsthalle eine moderne Architektur an. „Es muss etwas Modernes, Gutes, aber Bescheidenes werden“, so Plattner.“ weiterlesen

Presse:

pnn.de vom 20.06.2012

Märkische Allgemeine vom 20.06.2012

Märkische Oderzeitung vom 20.06.2012

pnn.de vom 20.06.2012

Märkische Allgemeine vom 19.06.2012

Der Tagesspiegel vom 18.06.2012

pnn.de vom 15.06.2012

pnn.de vom 14.06.2012

pnn.de vom 13.06.2012

Der Tagesspiegel vom 02.06.2012

Märkische Allgemeine vom 16.4.2012

pnn.de vom 14.4.2012 (Interview mit Hasso Plattner)

B2B vom 13.4.2012

Märkische Oderzeitung vom 13.4.2012



„Ich möchte Betroffenheit auslösen…“

Ronald Paris über Künstler als Ärzte und Philosophen, über Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit

nd vom 10.4.2012: „Über mangelndes Interesse kann er nicht klagen: Vorige Woche lud er zur Vernissage nach Dresden: Porträts und Landschaften. Anfang Juni wird eine größere Schau in Merseburg eröffnet. Dennoch vermisst RONALD PARIS Anerkennung der Kunst und Künstler aus der DDR. Der 1933 geborene Maler hat an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee studiert, war Meisterschüler von Otto Nagel, Mitbegründer der »Intergrafik« und in den 90er Jahren Professor für Malerei an der Hochschule Burg Giebichenstein in Halle. Über sein Leben und seine Kunst sprach er mit der nd-Redakteurin KARLEN VESPER.

nd: Herr Professor, »Lob des Kommunismus« heißt Ihr legendäres, neun Meter langes Wandbild von 1969/70, das heute im DDR-Museum an der Spree zu sehen ist. Wie kamen Sie zu diesem Titel?
Paris: Ich wollte ein Geschichtspanorama schaffen: Aufbruch und Abbruch, Hoffnungen und Enttäuschungen, die Gewalt der Kriege und Bürgerkriege bildhaft werden lassen, ein permanent fürchterliches Zeitgeschehen. Man selbst war ja von dieser Geschichte nicht unberührt. Ich suchte also ein Motto. Und da war mir Brecht recht. Mir hat vor allem der Schlusssatz seines Lobgedichtes gefallen: »Er ist das Einfache, das schwer zu machen ist.« Das ist es! Es ist kein Spaziergang, zu einer gerechteren Gesellschaft zu gelangen. Aber es ist möglich. Das ließ hoffen. Und lässt hoffen.

»Er ist vernünftig, jeder versteht ihn«, heißt es in Brechts Gedicht über den Kommunismus.
»Die Dummköpfe nennen ihn dumm, und die Schmutzigen nennen ihn schmutzig. Er ist gegen den Schmutz und gegen die Dummheit… Er ist keine Tollheit, sondern das Ende der Tollheit.«

Nun hat aber der Kapitalismus triumphiert, weltweit.
Ich bin überzeugt, dass er nicht das Ende der Geschichte ist. Das wird uns doch gerade dieser Tage deutlich. Der Kapitalismus ist nicht vernünftig, er ist schmutzig, er ist eine Tollheit, und es gibt kein Verbrechen, das er nicht wagen würde, wenn es Profit verspricht. Wie es schon bei Marx heißt.

Das Wandgemälde verhalf Ihnen zu einem Bekanntheitsgrad, der für Sie sicher vorteilhaft war?
Ich hatte einen kleinen Schelmenstreich begangen, indem ich mich des Brechtschen Lobgedichtes bediente, ihm zu einer Dominanz verhalf, die es in der damaligen DDR-Gesellschaft schon nicht mehr hatte. Man konnte mich jetzt nicht mehr einfach im Abseits stehen lassen. Das muss einigen Genossen »oben« schwergefallen sein. Denn ich war suspekt durch meine Illustrationen zu Wolf Biermanns Gedichtband »Die Drahtharfe« von 1965, in dem dieser die alten Genossen aufrief: »Tretet zurück, indem ihr uns den neuen Anfang lasst!« Ein Sakrileg. Biermann bekam Auftrittsverbot.

Und Sie schrammten knapp an einem Parteiausschluss vorbei. Ihr Wandgemälde selbst wurde kritisiert. Was warf man Ihnen vor?
Dass das Bild keine Zuversicht versprühe. Wenn ich Zuversicht versprühen wollte, wäre ich Parteisekretär geworden. Oder, um es heutig zu sagen: Versicherungsvertreter. 24 Änderungswünsche wurden an mich herangetragen. Eine Forderung betraf den Arbeiter am Anfang des Bildes: »Unsere Menschen laufen nicht mehr barfuß!« Ich sollte ihm Schuhe anziehen. Doch ich habe ich nichts geändert. Ich war so frei.

Der engagierte Künstler ist heute eine seltene Spezies. Wurde er verschreckt durch die nach 1990 gegen ihn geschwungene Keule?
Sie meinen das Verdikt: DDR-Kunst ist gleich Verherrlichung des Systems. Absoluter Quatsch. Es stimmt einfach nicht, dass alle politisch-thematischen Werke in der DDR per Auftrag zustande kamen. Ich wage zu behaupten, 70 Prozent deckten sich mit dem inneren Auftrag des Künstlers. Es wäre und bleibt fragwürdig, wenn man als Künstler Werke schafft, mit denen man sich nicht identifizieren kann. Aber diese dummdreiste Verteufelung hatte Konsequenzen. Sie diente als Freifahrtsschein, DDR-Kunst in verstaubte Magazine zu verbannen. Und wenn sie gezeigt wird, so zur Diskreditierung. Doch die unqualifizierte Aburteilung ist entkräftet worden – von den Adressaten unserer Arbeiten. “ weiterlesen

In meinem eigenen Lande. Die Malerin und Dissidentin Annemirl Bauer

Mauer-Mahnmal im Deutschen Bundestag, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Schiffbauerdamm, 10117 Berlin

29. März – 30. Juni 2012

Annemirl Bauer (1939 – 1989) war eine der ungewöhnlichsten Malerinnen in der DDR. Ausgebildet an der Kunsthochschule Weissensee, folgte sie zunächst dem sozialkritisch und expressiv orientierten Realismus ihrer Mutter Tina Bauer-Pezellen. In Auseinandersetzung mit dem Grenzregime und die patriarchalischen Strukturen der DDR wurde sie bald systematisch marginalisiert, ausgegrenzt und bespitzelt. Sie nahm ein Leben nahe der Armut in Kauf und arbeitete systematisch an einer ihrer unbeugsamen Haltung gemäßen künstlerischen Formensprache. Sie starb im August 1989, kurz vor dem Fall der Mauer – und fiel so erneut aus der öffentlichen Wahrnehmung. Die Ausstellung im Mauer-Mahnmal zeigt sie als Malerin und Dissidentin.

weitere Informationen, Flyer

Presse:

Märkische Allgemeine vom 12.5.2012

Berliner Zeitung vom 12.4.2012

Stilbruch. das Kulturmagazin des rbb vom 29. 3. 2012

Autonomie trotz Affirmation? Über die Kunst in der DDR und die Ambivalenz der Bilder

Ein Gespräch von Markus Heidmeier und Jochen Thermann mit Karl-Siegbert Rehberg auf MONTAGSRADIO. Netzgespräche zur Zeitgeschichte vom 3. März 2012.

Der schwierige Umgang mit der Kunst aus der DDR führte sehr schnell nach 1990 zum so genannten “Bilderstreit”. Handelte es sich bei den Bildern ostdeutscher Maler lediglich um propagandistische “DDR-Kunst”, da die offizielle Förderung und Privilegierung zugleich mit Anpassungsdruck und Gängelung einher ging? Oder war die Kunst in der DDR, insbesondere die Malerei, im Gegenteil zu bedeutenden, starken Werken fähig, die man in der westdeutschen Kunstlandschaft vergeblich sucht? Im MONTAGSRADIO 04/2012 sprechen Markus Heidmeier und Jochen Thermann mit Karl Siegbert Rehberg, Gründungsprofessor für Soziologie an der TU Dresden und wissenschaftlicher Koordinator des Forschungsverbundes “Bildatlas: Kunst in der DDR“.

Heute haben sich die Wogen des “Bilderstreits” gelegt – offensichtlich erfüllte die Kunst in der Nachwendezeit das, was andernorts nicht diskutiert werden konnte: Hier wurde stellvertretend gefragt, wie das, was Künstler in der DDR geleistet haben, zu bewerten sei. Wie groß war der Spielraum zwischen Anpassung und Autonomie? Dieser Frage gehen Markus Heidmeier und Jochen Thermann im Gespräch mit Karl-Siegbert Rehberg nach und sprechen mit ihm über den Bilderstreit und die Ambivalenz der Kunst (in) der DDR.

zum Gespräch

Bernhard Heisig. Selbst und Trompete. Späte Bilder und Zeichnungen

GALERIE BERLIN, Augustsr. 19, 10117 Berlin

31. März – 9.  Juni  2012

Märkische Allgemeine vom 2.4.2012: „Dreizack, Orden, gebieterische, gleichwohl abwartende Körperhaltung, rechte Hand am Gesicht: Friedrich der Große. Pompös preußisch eröffnet die kleine Ausstellung, mit der Rainer Ebert und Rüdiger Küttner in ihrer Galerie Berlin einmal mehr an den Künstler Bernhard Heisig erinnern wollen.

Der war am 10. Juni 2011 im havelländischen Strodehne verstorben. 87 wäre er vorgestern, am Tag der Vernissage, geworden. Viele Wegbegleiter, Freunde, Familie waren in die Galerie nach Berlin-Mitte gekommen. Und registrierten an zahlreichen Beispielen beeindruckt, wie sehr Heisig sich in seinen letzten Lebensjahren, die auch trotz schwerer Krankheit noch intensive Schaffensjahre waren, künstlerisch verändert hat. „Das Tolle ist, dass er eine neue Malerei begonnen hat“, schwärmte Rüdiger Küttner. Malerischer seien Heisigs Werke der letzten Jahre geworden, auch ein Stück weit abstrakter. Etwas, das sich gar in der Serie der Friedrich-Bildnisse nachvollziehen lässt: Figürlich sind sie zwar, gleichwohl von faszinierender Gesichtslosigkeit und doch so eindeutig als Alter Fritz identifizierbar. „Eigentlich“, sagt Küttner über die jüngsten Werke Heisigs, „ist das der modernere Heisig“.

1925 in Breslau geboren, muss, will er als 17-Jähriger in den Krieg ziehen. Er wird verletzt an der Westfront, überlebt die Ardennenschlacht, kehrt im Dezember 1944 zurück in seine Heimatstadt , als Mitglied der Waffen-SS wird er in die Kämpfe um die „Festung“ Breslau involviert. Der Krieg, schrieb der Schriftsteller Christoph Hein mal über Heisig, sei dessen „eigentliches Lebensthema“ gewesen. Er war kein kühler Dokumentarist, wenn er die großen Themen des 20. Jahrhunderts in seiner Kunst verarbeitete, sondern einer, dem das Leid des eigenen Erlebens den Pinsel führte.

Nach Strodehne kamen Heisig und seine Frau, die Malerin Gudrun Brüne, 1992. Doch während anderen Zuzüglern die weite Eintönigkeit der havelländischen Landschaft zur inneren Einkehr, zur Ruhe verhilft, hat sie ihn, im Gegenteil, beinahe herausgefordert: Dynamik, Wildheit, Energie in unglaublichen, kräftig-flirrenden Farben prägen auch noch seine letzten Arbeiten, Blumenbildnisse, Theaterimpressionen, Friedrich-Variationen, Selbstporträts. „Toll“, sagte eine junge Berlinerin fasziniert während der Vernissage, „aber selbst seine Stillleben sind zutiefst verstörend.“ So wirkt er nach, mit all der Kraft, die er in seine Kunst steckte. Die an ihm reizte und den Betrachter zugleich mit Scheu behaftete. Bernhard Heisig, hin und wieder noch immer nur als „DDR-Künstler“ verschlagwortet, war zuallererst, das betonte Altbundeskanzler Helmut Schmidt in seinem Nachruf auf Heisig vehement, „ein sehr deutscher Maler“.“ weiterlesen

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Günther Jahn – Retrospektive

Thüringer Landtag, Jürgen-Fuchs-Straße 1, 99096 Erfurt

22. Februar bis 30. März 2012

Mit einer Retrospektive eines der bedeutendsten Vertreter der Thüringer Gegenwartskunst, dem Sondershäuser Maler Günther Jahn, setzt der Landtag zu Beginn des Jahres einen künstlerischen Akzent.

Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) hat die Werkschau im Beisein der Witwe Günther Jahns und seiner Kinder im Thüringer Landtag 22. Februar 2012 eröffnet.  „Ich bin sehr dankbar, dass wir genau ein Jahr nach dem Tod des Künstlers sein schaffensreiches und intensives Leben in einer umfassenden Ausstellung würdigen können. Sie ermöglicht uns ein Treffen mit einem Künstler, der uns als stiller Magier der Formen und Farben in Erinnerung bleibt“, so die Landtagspräsidentin während der  Ausstellungseröffnung.

„Günther Jahn war ein Autodidakt, der es technisch zu einer erstaunlichen Meisterschaft brachte“, so die Präsidentin des Thüringer Landtags weiter. „Seine Bilder entwickeln eine ganz eigene Kraft, weil es Günther Jahn nicht auf das Sensationelle ankam, sondern auf das Bleibende, auf das Schöne im Verborgenen und das Besondere im Alltäglichen. In seinen besten Werken gelingt es ihm, zu verdeutlichen, wie gut sich Leichtigkeit und Tiefsinn, Widerstand und Witz vertragen.“

Der 1933 in Sondershausen geborene Günther Jahn kam auf Umwegen zur Malerei. Ohne Studium wurde Jahn 1964 in den Verband bildender Künstler der DDR aufgenommen und bekam die staatliche Anerkennung als Maler und Grafiker. Neben seinem künstlerischen Schaffen war er bis 1980 an verschiedenen Gymnasien als Kunstlehrer tätig.

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Presse:

Deutschland today vom 22.2.2012


CFP: Photographieren in der DDR

4. Tagung des Arbeitskreises Kunst in der DDR

Institut für Kunstgeschichte der Universität Leipzig und Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, 9.–10. November 2012

Eingabeschluss: 19.03.2012

Konzept: Prof. Dr. Sigrid Hofer (Philipps-Universität Marburg) und Prof. Dr. Martin Schieder (Universität Leipzig) in Kooperation mit Jun.-Prof. Dr. Friedrich Tietjen (Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig).

Welche Rolle spielte die Photographie in der DDR zwischen ideologischer Bildpropaganda und Ausdruck eines individuellen Lebensgefühls, zwischen agitatorischer Dokumentation und künstlerischer Position? In welche Traditionen der Moderne stellten sich die Photographen und welches visuelles Erbe haben sie hinterlassen? Von diesen Fragen ausgehend, möchte die 4. Tagung des „Arbeitskreises Kunst in der DDR“ untersuchen, inwieweit die Photographie als ideologisches Instrument des „Klassenkampfes“ und „sozialistischen Aufbaus“ von der SED-Medienpolitik instrumentalisiert und von der Zentralen Kommission Photographie unter dem Verdikt des Realismus formalästhetisch und inhaltlich gesteuert wurde. Gleichzeitig gilt es zu schauen, inwieweit die Photographie nicht nur der propagandistischen Visualisierung von System und Gesellschaft diente, sondern auch innerhalb oder jenseits der kulturpolitischen Vorgaben die Möglichkeit bot, die realen Verhältnisse zu dokumentieren oder kritisch zu kommentieren.
Tatsächlich steht die Erforschung der Photographie in der DDR – im Gegensatz zu der von Malerei und Architektur – immer noch an ihren Anfängen. Im Mittelpunkt des aktuellen wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses stehen meist einige wenige prominente Vertreter wie Sibylle Bergemann, Arno Fischer oder Evelyn Richter, die mit einem dezidiert künstlerischen Ansatz gearbeitet und auch im wiedervereinigten Deutschland Erfolg haben. Jenseits dieser Protagonisten der sogenannten Autorenphotographie existierte aber ein breites Spektrum künstlerischer Positionen, Themen und technischer Ausdrucksformen von der subjektiven Photographie, über street photography bis hin zu experimentellen und performativen Ausdrucksformen der achtziger Jahre die nicht zuletzt im Austausch mit westlichen Positionen u.a. der Photoagentur „Magnum“ oder auch der Düsseldorfer Schule entstanden.
Darüber hinaus wartet die Photographie auf ihre grundlegende systematische historische und soziologische, kunst- und kulturhistorische Aufarbeitung. So wissen wir noch vergleichsweise wenig über die technischen Möglichkeiten, den theoretischen Diskurs und die Ausbildung, über die zeitgenössische Rezeption zwischen Zensur und Ausstellungen im kapitalistischen Westen oder auch über den hohen Stellenwert der Amateurphotographie. Zugleich gilt es zu analysieren, unter welchen ökonomischen Rahmenbedingungen, in welchen Nischen, aber auch in welchen Grauzonen Photographie entstand. Wie schwierig es nicht nur im privaten, halböffentlichen Raum war, auszustellen, belegt die Tatsache, daß erst 1982/83 auf der IX. Kunstausstellung der DDR in Dresden erstmals eine Sektion Photographie präsentiert wurde. Abseits der offiziellen Plattformen und linientreuen Organe konnten Photographen ihre Arbeiten auch in Fach-, Mode- oder Livestyle-Zeitschriften wie in „Die Fotografie“, „Sibylle“, dem legendären „Magazin“ oder aber auch in der „Neuen Berliner Illustrierten“ publizieren, in denen ein „anderes“ Bild von der DDR gezeigt wurde. Nicht zuletzt möchte die Tagung diskutieren, welches Bild von der DDR in westlichen Medien durch die Photographie generiert wurde und inwieweit die Photographie in der DDR eine Ikonographie, ein kollektives Bildgedächtnis der DDR geschaffen hat, das bis heute nachwirkt beziehungsweise schon in Vergessenheit geraten ist.

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Tagber.: „Räume der Bilder. Die Kunst in der DDR im Spiegel der Sammlungen“

Tagungsbericht: Tagung „Räume der Bilder. Die Kunst in der DDR im Spiegel der Sammlungen“ des BMBF-Verbundprojektes „Bildatlas: Kunst in der DDR“, 29./30. November 2011, Veranstalter Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF)

Autorinnen:
Anna Littke, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam,
E-mail: littke@zzf-pdm.de
Anja Tack, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam,
E-mail: tack@zzf-pdm.de

Ende November 2011 fand mit der Tagung „Räume der Bilder. Die Kunst in der DDR im Spiegel der Sammlungen“ die dritte und letzte Konferenz im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojektes „Bildatlas: Kunst in der DDR“ statt. Ziel des Projektes ist es, die verschiedenen Sammlungen von DDR-Kunst systematisch zu erschließen, sie in einer Online-Datenbank zu dokumentieren und in diesem Kontext die für den Kunstbetrieb in der DDR charakteristischen Wege der Bilder in den verschiedenen Sammlungen zu rekonstruieren.
Das Nachwuchskolloquium des Projektes im Februar 2010 beschäftigte sich vor allem mit einzelnen Künstlern und Künstlerpositionen. Die Tagung „Die Wege der Bilder. Sammlungspolitik ostdeutscher Kunst in und nach der DDR“ im Mai 2011 war dagegen vor allem auf die Provenienzforschung und die Sammlungspolitik in der DDR fokussiert. Die von der Projektgruppe am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) organisierte Tagung „Räume der Bilder“ rückte die Genese und Geschichte einzelner Sammlungen zur Kunst in der DDR und deren spezifische Prägung durch den staatlich organisierten und politisch kontrollierten Kunstbetrieb in der DDR in den Mittelpunkt.

Begonnen und abgeschlossen wurde die Tagung mit einem Blick auf die Potsdamer Verhältnisse. Im Zentrum des Eröffnungsvortrags von MARTIN SABROW (Potsdam) stand die Frage, wie in Potsdam mit der architektonischen Stadtvergangenheit umgegangen wird. Der Direktor des ZZF attestierte den Potsdamern, seit dem Ende der DDR nach dem Credo einer „heilenden Regeneration“ zu verfahren. Sabrow verwies darauf, dass die sozialistischen Bauten eine immer geringere Rolle im Stadtbild spielen und Neubauvorhaben wie das Potsdamer Stadtschloss zu einer Marginalisierung dieses architektonischen Erbes beitragen würden. Die sozialistische Stadtvergangenheit sei „unter der zukünftigen Vorvergangenheit begraben“, so der Referent. Durchaus ähnlich wurde bisher mit dem bildkünstlerischen Nachlass der DDR im Potsdam Museum etwa in Gestalt der im Rahmen der „Galerie Sozialistische Kunst“ gesammelten Werke umgegangen. Dies soll sich  nun ändern. Während eines Rundgangs über die Baustelle am künftigen Sitz des Museums erläuterte JUTTA GÖTZMANN, Direktorin des Museums,  wie die Galeriebestände in die neue Ausstellung des Museums einbezogen werden sollen. Götzmann versteht es als genuinen Auftrag des Museums, auch die Werke aus der DDR auszustellen und sich mit ihnen öffentlich auseinanderzusetzen.

Ähnlich argumentierten die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, die am ersten Abend als Kooperationsveranstaltung mit der Friedrich Naumann Stiftung stattfand. Unter der Fragestellung: „Nach dem Bilderstreit. Neue Perspektiven auf die Kunst aus der DDR?“ diskutierten JUTTA GÖTZMANN (Potsdam), KARL-SIEGBERT REHBERG (Dresden), FRITZ JACOBI (Berlin) und CHRISTOPH TANNERT (Berlin), wie mit dem künstlerischen Erbe der DDR jenseits der Zuspitzung des deutsch-deutschen Bilderstreits umgegangen werden könne. Zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR schien unter den Teilnehmern Einigkeit darüber zu bestehen, dass die Werke aus der DDR nicht der Öffentlichkeit zu entziehen seien. Man dürfe die Beschäftigung mit der Kunst nicht als Affirmation der DDR verstehen, betonte Karl-Siegbert Rehberg, Leiter des BMBF-Verbundprojektes.

ANDREAS LUDWIG (Eisenhüttenstadt) eröffnete das erste Tagungspanel „Sammeln als Diktaturbewältigung“ mit einem virtuellen Ausflug in das Depot des Dokumentationszentrums Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt. Im Fokus standen vor allem Formen der Veralltäglichung von Kunst. Zu den Dingen, die nach 1990 von ehemaligen Bürgern der DDR in Eisenhüttenstadt abgegeben worden sind, zählen unter anderem zahlreiche Kunstpostkarten und Kunstdrucke, aber auch etliche Kuriositäten.

Parallelen zwischen dem Eisenhüttenstädter Dokumentationszentrum und dem von MARLENE HEIDEL (Beeskow) vorgestellten Kunstarchiv Beeskow bestehen in einer nach dem Ende der DDR entstandenen Archivstrategie. In Beeskow lagern in erster Linie Kunstwerke, die im Auftrag der Parteien- und Massenorganisationen entstanden und in den frühen 1990er-Jahren aus den öffentlichen Räumen entfernt worden waren. Im Beeskower Depot sei ein „Bilderstau“ spürbar, die Kunstwerke könnten nicht „in das kollektive Gedächtnis abfließen“, so die Referentin. Zu einer Auflösung des Staus habe erstmalig das Bildatlas-Projekt einen entscheidenden Beitrag geleistet. Mitarbeiterinnen hätten begonnen, die Gemälde zu inventarisieren und somit eine Basis für die weitere Arbeit an und mit den Werken geschaffen. Heidel betonte, dass das Ende des Projekts im Mai 2012 auch ein Ende dieser notwendigen Arbeit in Beeskow bedeute und dringender Handlungsbedarf bestünde, um die Werke der Nachwelt zu erhalten und entsprechend weiter aufzubereiten.

Eine eher ungewöhnliche Sammlung stellte KATJA PROTTE (Dresden) mit Kunst der Nationalen Volksarmee (NVA) im Militärhistorischen Museum Dresden vor. Die sehr heterogene Sammlung umfasst Werke sowohl von Berufs- als auch von Laienkünstlern, die teils durch Ankauf, teils durch direkte Aufträge erworben wurden. Ein Blick in die Sammlung zeige unter anderem eine sich im Verlauf der Zeit verändernde Auftragsordnung der NVA. Neben klassischen „Soldatenportraits“, dem Thema „Lebensfreude der Armeeangehörigen“ oder der künstlerischen Gestaltung der „Verbindung zu den Werktätigen“ finden sich auch Gemälde ohne Bezug zum Militär, die in erster Linie als Raumschmuck dienen sollten. weiterlesen Tagungsbericht Räume der Bilder