Gegenstimmen. Kunst in der DDR 1976-1989

Deutsche Gesellschaft e. V.
16.07.2016-26.09.2016, Berlin, Martin-Gropius-Bau Berlin

Kuratoren: Eugen Blume und Christoph Tannert

Ausgangspunkt der Ausstellung ist das Jahr 1976, das Jahr der
Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann durch die
DDR-Staatsführung. Es hat zu einer einmaligen Politisierung von
Künstlern und Kulturschaffenden geführt. Fortan riss die Kritik an der
DDR-Staatsführung nicht mehr ab. Die Opposition organisierte sich. Und
im Schatten dieser Entwicklung blühte eine dissidentische Kultur. Im
Jahr 2016 jährt sich dieses Ereignis zum 40. Mal.

Die Ausstellung Gegenstimmen beleuchtet das vielseitige Schaffen von
kritischen und nicht-staatstragenden Künstlern in der DDR. In
unterschiedlichen Sparten (Malerei, Skulptur, Installation, Fotografie,
Plakat und Buchobjekt) wird die Wechselwirkung zwischen „Geist“
(künstlerischer Freiheit) und „Macht“ (repressivem Regime) aufgespürt
und gezeigt, wie unterschiedlich Künstler aus der ehemaligen DDR ihrer
eigenen Haltung und System-Absage im künstlerischen Werk Ausdruck gaben.
Die präsentierten Exponate laden zur Spurensuche in die 1970er- und
1980er-Jahre ein. Gleichzeitig forscht die Ausstellung nach dem
bildkünstlerischen Ausdruck von Distanz, Privatisierung, Rückzug als
Teil des genetischen Codes, auch der ästhetischen
DDR-Gegenöffentlichkeit. In der westdeutschen Museumslandschaft der
1990er- und 2000er-Jahre ist Kunst mit DDR-Bezug – eine Kunst, die
gänzlich quer zu Erfolgskriterien und Marktmaßstäben entstanden ist und
eine singuläre kunsthistorische Situation spiegelt – kaum vertreten.
Diese Lücke will die Ausstellung schließen.

Vielfach wird der Fall der Berliner Mauer als performatives Ergebnis der
Maulwurfsarbeit der Künstler der DDR gesehen. Dem kann nicht zugestimmt
werden. Der Anteil der Künstler ist nicht zu leugnen, jedoch hielt sich
revolutionärer Eifer in Grenzen. Kunst reagiert nicht kurzschlüssig auf
historische Ereignisse. Trotzdem haben Künstler ihre Möglichkeit, auch
wenn diese beschränkt waren, genutzt: Gefühle aufzuladen und
Einstellungen zu provozieren. So entstand durch künstlerische
Positionen, die ideologische Vorgaben ignorierten und auf die der
Begriff vom Sozialistischen Realismus nicht passte, ein vielzelliges,
vitales, angstlos agierendes Netzwerk selbstbewusster Individuen.

Künstlerliste: Autoperforationsartisten / Sibylle Bergemann / Joachim
Böttcher / Micha Brendel / Hans Brosch / Manfred Butzmann / Hartwig
Ebersbach / Christiane Eisler / Anatol Erdmann / Lutz Fleischer / Thomas
Florschuetz / Michael Freudenberg / Lutz Friedel / Else Gabriel / Rainer
Görß / Eberhard Göschel / Wasja Götze / Peter Graf / Hans-Hendrik
Grimmling / Sabina Grzimek / Bernd Hahn / Klaus Hähner-Springmühl /
Angela Hampel / Volker Henze / Peter Herrmann / Sabine Herrmann / Veit
Hofmann / Petra Kasten / Ralf Kerbach / Klaus Killisch / Jörg Knöfel /
Andreas Küchler / Michael Kunert / Verena Kyselka / Mark Lammert / Helge
Leiberg / Via Lewandowsky / Walter Libuda / Frank Maasdorf / Ute Mahler
/ Werner Mahler / Peter Makolies / Yana Milev / Oskar Manigk / Otto
Manigk / Erhard Monden + Eugen Blume / Bert Papenfuß + Ronald Lippok /
A.R. Penck / Oscer Pioppi / Steffen Reck / Robert Rehfeldt / Ruth
Rehfeldt / Stefan Reichmann / Reinhard Sandner / Jürgen Schäfer /
Wolfram Adalbert Scheffler / Hans Scheib / Hans Scheuerecker / Hanns
Schimansky / Christine Schlegel / Cornelia Schleime / Gil Schlesinger /
Bernd Schlothauer / Annette Schröter / Hans-Joachim Schulze / Frank
Seidel / Reinhard Stangl / Matthias Stein / Gabriele Stötzer / Strawalde
(Jürgen Böttcher) / Gudrun Trendafilov / Joachim Völkner / Trak Wendisch
/ Jochen Wermann / Karin Wieckhorst / Michael Wirkner / Reinhard Zabka

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (Deutsch/Englisch) mit einem
reichhaltigen Bildmaterial, 80 Künstler-Statements und zehn
wissenschaftlichen Kurzbeiträgen:
Wolfgang Engler: Nach Biermann: DDR im Endspielmodus
Jan Faktor: Geruch und Augenblick. Über die Szene vom Prenzlauer Berg
Sara Blaylock: Language Play in Prenzlauer Berg Photography
Carolin Quermann: „Es lacht das Salatschwein“. Freisein in Absurdistan.
Zum Leitwolfverlag Dresden
Angelika Richter: „Ich bin Du“. Repräsentation von Geschlecht in der
Bildenden Kunst der DDR und ihre Abweichung von normativen
Körperbildern
Hans-Eckardt Wenzel: Noch mal Gemeinsinn!
Paul Kaiser: Instabile Wertlage. Der westliche Blick auf die nonkonforme
Kunst aus der DDR – zwischen Mythenproduktion und Entzauberung
Ulrich Kavka: Zweideutige Sicht auf doppeltem Boden – Versuch einer
Vergegenwärtigung
Annett Gröschner: Mein Prenzlauer Berg ist nicht dein Prenzlauer Berg.
Vom Paradigmenwechsel einer Ortslage
Heike Emmrich-Willingham: „Vögel müssen fliegen“ – Von der
Notwendigkeit, man selbst zu sein

Parallel zu der Ausstellung „Gegenstimmen“ findet im Schauraum des
Künstlerhauses Bethanien (Kottbusser Str. 10, 10999 Berlin) die
Ausstellung „Ende vom Lied“ mit Werken aus den Bereichen Fotografie,
Videokunst und Installation von 30 Künstlern statt. Kurator: Christoph
Tannert. Eröffnung: 14. Juli, 19 Uhr. Infos unter: www.bethanien.de

Förderer des Projekts sind die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin,
der Deutsche Sparkassen- und Giroverband und die Bundeszentrale für
politische Bildung.

Im Rahmen der Ausstellung wird ein reichhaltiges Begleitprogramm
angeboten.

Filmvorführungen im Kinosaal des Martin-Gropius-Baus:

21.07.2016, 17 Uhr: Drei DEFA-Dokumentarfilme über unangepasste
DDR-Kunst: Aktfotografie (DDR 1983, 11 min, Dokumentarfilm, R: Helke
Misselwitz), Kurzer Besuch bei Hermann Glöckner (DDR 1984, 32 min,
Dokumentarfilm, R: Jürgen Böttcher), A propos X

04.08.2016, 17 Uhr: La Villette (DDR 1990, 70 min, Dokumentarfilm, R:
Gerd Kroske)
Film und Diskussion

12.08.2016, 19 Uhr: Lichter aus dem Hintergrund – Der Fotograf Robert
Paris (D 1998, 93 min, Dokumentarfilm, R: Helga Reidemeister)
Film und Diskussion

02.09.2016, 19 Uhr: Zwischen Liebe und Zorn – Der Fotograf Harald
Hauswald (D 2011, 65 min, Dokumentarfilm, R: Jörg Herrmann)
Film und Diskussion

09.09.2016, 19 Uhr: Engelbecken (D 2015, 82 min, Dokumentarfilm, R:
Gamma Bak & Steffen Reck)
Film und Diskussion

Infos zu dem gesamten Begleitprogramm (Symposien, Lesungen, Diskussionen
und Konzert) finden Sie auf der Webseite des Veranstalters.

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Dr. Ingeborg Szöllösi

Pressestelle Deutsche Gesellschaft e. V., Voßstraße 22, 10117
Berlin-Mitte

0049 (0)30 884 12 252

is@deutsche-gesellschaft-ev.de

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