Wegträumend und anbiedernd

Das Potsdam-Museums zeigt 2014 die Ausstellung Kunstraum-Stadtraum – mit Werken der Galerie sozialistische Kunst

pnn.de vom 3.08.2012: „Sie ist wieder salonfähig: die Kunst der DDR. Der Sammler Hasso Plattner zeigt sie und auch das Potsdam Museum weiß längst um ihren Wert. Während der millionenschwere Kunstmäzen im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte derzeit die großen Namen wie Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer und Arno Rink präsentiert, sichtet das städtische Museum akribisch die regionale und auch überregionale Kunst: die oftmals zweite Riege, die es nicht auf den internationalen Markt geschafft hat. Und doch ist sie so vielstimmig, so spannend und zum Teil auch künstlerisch so gediegen, dass sie wieder ans Licht der Öffentlichkeit gehört. Denn sie erzählt weniger vom sozialistischen „Bau auf, bau auf“ und dem Heroismus der Arbeiterklasse als vielmehr vom Wegträumen, von den stillen Nischen, von der Tristesse und vom Plattmachen historischer Baukultur. Sie ist zugleich dokumentarisch und freidenkend, schönfärbend und schwarzmalend, ehrlich und auch anbiedernd.

5200 Werke wurden in der Galerie sozialistische Kunst des Potsdam Museums von 1976 bis 1990 gesammelt: Auftragswerke ebenso wie Ankäufe aus Ausstellungen oder Ateliers. Alles verschwand nach der Wende mehr schlecht als recht in schnell gesuchte, in der Stadt verstreute Depots. Auch die Werke aus Ferienheimen, Parteizentralen, Verwaltungsbüros, die von den Wänden abgehängt wurden, kamen dorthin. Vor gut einem Jahr fand das Museum nun endlich in einem dreigeschossigen Backsteinbau auf dem bewaldeten Gelände der ehemaligen Panzerhallen in Groß Glienicke einen Ort, an dem ausreichend Platz zum Lagern und Sichten der 1300 Gemälde, über 2000 Grafiken sowie Fotografien und Plastiken ist.

Die Museumschefin Jutta Götzmann und ihre Mitarbeiterin Anna Havemann gehen oft die Steintreppen hinauf, um in den acht benachbarten Räumen mit der Aufschrift „PM-GSK“ (Potsdam Museum – Galerie sozialistische Kunst) die hölzernen Grafikschränke und meterhohen Metallregale mit Gemälden zu durchkämmen. Mitunter reicht ein Blick, um die Spreu vom Weizen zu trennen, wenn man Fähnchen schwenkende Kinder mit Friedenstaube sieht oder die Riesenköpfe von Engels oder Lenin, die in ihrer Größe die feinsinnigen plastischen Arbeiten in den Regalen fast erdrücken. Doch dann ist da das visionäre Bild von Werner Gottsmann „Potsdamer Stadtlandschaft“ unter einem Regenbogen von 1975, das die Nikolaikirche in die Mitte rückt, oder das von Peter Rohn 1981 gemalte Nacht-Bild mit Abrisshäusern in der Gutenbergstraße, nur vom Mond bewacht. Romantisch und mystisch zugleich.

Und immer wieder sieht man Fluchtorte, Sehnsuchtsorte, wie die vielen Bilder über Sanssouci, die innere Emigration in Porträts oder der Blick aus dem Atelier in die Enge der Straße.

Im Frühjahr 2014 soll es eine große Ausstellung zum Thema „Stadtraum-Kunstraum“ im neuen Potsdam Museum geben. Sie wird zum großen  Teil aus dieser Sammlung gespeist. Oberstes Sammelkriterium war es, den neuen Menschen und die Entwicklung der Stadt zu präsentieren, ist in einer Anweisung vom einstigen Rat des Bezirkes Potsdam zu lesen. Wie unterschiedlich dies vonstatten ging, zeigen allein zwei Bilder mit musizierenden Menschen. Während der Maler Kurt Robbel das Fröhlich-Unbeschwerte herauskehrt, fängt fast zu gleichen Zeit Heinz Böhm in seiner „Sonate“ von 1957 das Intime, Bedrückende ein. Auch auf dem expressiven Gemälde „Kinder der Welt“ von Christa Panzner aus dem Jahr 1986 sieht man in schwarze Augenhöhlen, spürt man dieses Insichgekehrtsein. Ebenso wie bei der bleichen hageren „Jungen Frau“, der Malerin Ilse Fischer (1900 bis 1979), die in allen ihren Werken feinnervig nach dem Individuellen forscht. Von ihr befindet sich der gesamte Nachlass in der Sammlung. Er wird derzeit im Rahmen einer Diplomarbeit an der Fachhochschule Potsdam erforscht. Jutta Götzmann hat sich generell um Kooperationen mit dem Studiengang Kulturarbeit bemüht.

m September kommt ein weiterer Schatz dazu: rund 50 Werke aus dem Nachlass von Karl Raetsch. Aquarelle, Holzschnitte, Ölbilder. Ein Maler, der mir robuster, oft sarkastischer Leidenschaft und gekonntem Strich seine Stadt einfing.

Welche Werke es letztendlich in die Ausstellung schaffen, wird vor allem die Qualität und der thematische Bezug zum Kunstraum-Stadtraum entscheiden. „Es wird aber keine flache Ausstellung nur mit Potsdam-Ansichten. Wir zeigen die Stadt mit ihren Innen- und Außenräumen und mit dem Rückzugsraum Atelier“, sagt die Museumsdirektorin Jutta Götzmann. Dabei wird Potsdam nicht isoliert betrachtet, sondern im Kontext zu Berlin, wo die meisten Künstler aus der Region studiert haben. „Außerdem kooperieren wir mit dem ganz wunderbaren digitalen Projekt ,Bildatlas – Kunst in der DDR’ der Technischen Universität Dresden. Dort sind in dreijähriger Forschungsarbeit mehr als 20 000 Werke erstmals systematisch erfasst und katalogisiert worden.“ Mit diesem Bildatlas arbeitet auch die Stadt Weimar, die im Herbst mit der großen Sonderausstellung „Abschied von Ikarus“ ebenfalls neu auf die Bildwelten in der DDR schauen will.

„Mit unserer Ausstellung versuchen wir, einen qualitativ überzeugenden Maßstab zu setzen. Dazu werden wir auch viele Leihgaben ordern. Um die eigenen Bestände besser einordnen zu können, hilft uns der Bildatlas. Denn wir sehen unsere Werke im Vergleich zu Halle, Berlin oder Leipzig.“ Wie Jutta Götzmann betont, sei in der Galerie sozialistische Kunst oft sehr selektiv und nach subjektiven Ansätzen angekauft worden. „Die Kunst ist teils besser gewesen als es die Sammlung spiegelt, wie wir es bei manchen Bildern von Barbara Raetsch oder Peter Rohn sehen können. Auch Stephan Velten ist nicht mit seinen hochkarätigsten Sachen vertreten. Die politisch-ideologischen Gründe haben beim Kauf eine Rolle mitgespielt, wenn die Auswahl nicht in den Händen der Galerieleiterinnen, sondern beim Rat der Stadt und des Rates des Bezirkes lag“, betont die Direktorin.

Oft bekamen die Künstler Werkaufträge, wie Angela Frübing zum Thema „Kinder und ihr Leben im Alltag“, wofür sie 10 000 DDR-Mark erhielt. Alles ist akribisch aufgelistet und neben den biografischen Notizen, Leihverträgen und sämtlichen Einladungskarten zu Ausstellungen in einem Metallschrank verwahrt. Es wurde auch rückwirkend gekauft, um die Nachkriegszeit einzufangen. So gibt es Arbeiten des bekannten Malers der Neuen Sachlichkeit, Curt Querner, der auch in Nationalgalerie Berlin zu sehen ist. Und viele Ruinenbilder von Paul August, der Potsdam gleich nach dem Krieg malte. Er hat auch den „Bau der Schwimmhalle“ 1971 auf dem Brauhausberg in einem eindrucksvollen Farbholzschnitt festgehalten.“ weiterlesen

Die können ja noch malen!

Vorabdruck. Vor 35 Jahren: Die DDR zu Gast in Kassel. Reflexionen über ein Stück documenta-Geschichte

junge Welt vom 3.082012: „Während die gegenwärtige 13. documenta mit hohlem Getöse an uns vorüberzieht, gerät ein Jubiläum aus dem Blickfeld. Dieses Wegsehen hat seinen Grund weniger im üblichen Medienrummel um diese 100-Tage-Schau, sondern vor allem in der aktuell herrschenden Haltung zur DDR und zu ihrer Geschichte.

In diesen Tagen jährt sich die erst- und letztmalige Teilnahme von Künstlern aus der DDR an der documenta 6 zum 35. Mal. 1977 hatten offiziell vier Maler und zwei Bildhauer aus Leipzig, Halle, Berlin und Rostock insgesamt 25 Werke im Kasseler Fridericianum und im Freiraum vor einem Wandbild der chilenischen Malerbrigade »Pablo Neruda« gezeigt: Werner Tübke war u.a. mit seinen Bildern »Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze III«, »Bildnis eines sizilianischen Großgrundbesitzers«, »Tod in Venedig« und »Chilenisches Requiem« vertreten. Willi ­Sitte präsentierte ein Elternbildnis, seine »Sauna in Wolgograd«, die »Strandszene mit Sonnenfinsternis« und sein dynamisches Gruppenporträt »Die Sieger«; sein Triptychon »Jeder Mensch hat das Recht auf Leben und Freiheit« konnte aus zuvor nicht absehbaren Platzgründen nicht gehängt werden. Von Wolfgang Mattheuer waren u.a. die Gemälde »Hinter den sieben Bergen«, »Freundlicher Besuch im Braunkohlenwerk« und »Der übermütige Sisyphos und die Seinen« zu sehen. Und Bernhard Heisig, der – gemeinsam mit dem Kurator dieses DDR-Teils, Lothar Lang, auch die Hängung besorgte, stellte fünf seiner wichtigsten Werke vor: »Festung Breslau – Die Stadt und ihre Mörder«, eine »Ikarus«-Fassung von 1973, seinen »Traum des unbelehrbaren Soldaten«, das »Preußische Museum« und sein ergreifendes »Porträt Vaclav Neumann«, das den tschechischen Dirigenten und Violinisten sensibel erfaßt und für mich noch heute zum Besten zählt, was in der DDR auf dem Gebiet der Bildnismalerei entstand. Auf Vorschlag dieser vier Künstler waren Fritz Cremer mit seinem »Aufsteigenden«, der als Geschenk der DDR auch vor dem UNO-Gebäude in New York aufgestellt worden war, und Jo Jastram mit seinen »Ringern« aus der Kunsthalle Rostock vertreten. Außerdem waren in einer Abteilung Handzeichnungen – neben der offiziellen DDR-Auswahl und von der Öffentlichkeit wenig bemerkt – weitere Arbeiten von Werner Tübke und Gerhard Altenbourg aus dem Besitz von westdeutschen Sammlern untergebracht.

Ringen mit Vorurteilen

Obwohl vor allem in vier Buchpublikationen diese Teilnahme von Künstlern aus der DDR sowohl aus subjektiver Sicht1 als auch mit wissenschaftlicher Akribie2 reflektiert und untersucht ist, spielt dieses Kapitel der documenta-Geschichte in der Gegenwart kaum eine Rolle. Doch gerade jetzt, da immer noch und immer wieder ausgegrenzt, abgerissen, verdrängt und mit Halbwahrheiten, Lügen und Unterstellungen gearbeitet wird, bietet dieses 35 Jahre zurückliegende Ereignis Anlaß, über einen – wenn auch nicht konfliktlosen, so doch einigermaßen normalen – Umgang mit Kunst, die in der DDR entstand, nachzudenken.

Die Voraussetzungen waren damals schwieriger als heute. Es gab zwei deutsche Staaten, zwischen denen zu diesem Zeitpunkt noch kein Kulturabkommen existierte. Zwar hatte es bis dahin schon mehrere Ausstellungen in der Alt-BRD und in Westberlin gegeben, und auch nach dieser documenta zeigten bis 1989/90 Künstler aus der DDR dort in größerem Umfang ihre Werke. Aber die vor allem aus ideologischen Vorbehalten, aus Unkenntnis und Dünkel geborenen, pauschalierenden Urteile über einen genormten sozialistischen Realismus bestimmten – und bestimmen teilweise bis heute – das Verhalten gegenüber der im Osten Deutschlands entstandenen bildenden Kunst. Man hatte nicht oder kaum zur Kenntnis genommen, daß in der DDR Bilder, Graphiken, Plastiken und zu einem guten Teil auch Werke der angewandten Künste zunehmend einem dialogischen Prinzip entsprachen, das die Betrachter anregte, sich über ästhetische, weltanschauliche, historische, ethische oder philosophische Fragen zu verständigen. Die documenta verließ man demgegenüber meist ratlos oder ernüchtert desinteressiert. In einer soziologischen Studie wird z.B. nachgewiesen, daß 1972 in der VII. Kunstausstellung der DDR in Dresden mit 655000 Menschen dreimal mehr Besucher gezählt wurden als in der documenta 5 im selben Jahr in Kassel.3 Dieses Verhältnis änderte sich auch in den Folgejahren kaum.

1977 hatte man aber schon in stärkerem Maße verstanden, daß sich im Osten eine Kunst entwickelte, die sich in ihren Inhalten und Formen immer weniger von der Partei gängeln ließ und deren subjektive Prägungen mehr und mehr auch von einigen Funktionären verstanden wurden. Im Westen waren es vor allem Kunstkritiker wie Eduard Beaucamp und Eberhard Roters oder Museumsleute wie der damalige Direktor des Hamburger Kunstvereins Uwe M. Schneede, die Klischees abbauen halfen. So wirkten z.B. die Ausstellungen Willi Sittes (1975) und Wolfgang Mattheuers (1977) im Hamburger Kunstverein als wichtige Stationen auf dem Weg zur documenta 6.

Anerkennung und Protest

Die Einbeziehung der DDR in diese Schau war von den Veranstaltern – eingeordnet in den Realismusbereich – langfristig geplant. Im Komitee war darüber gestritten worden, doch im Juni 1977 wurde die Einladung bekanntgegeben. Der damalige documenta-Generalsekretär Manfred Schneckenburger hatte die vier Maler direkt eingeladen; die beiden Bildhauer kamen entsprechend dem Vorschlag der Maler hinzu. Insgesamt reagierte die Presse positiv, doch bis heute hält sich z.B. der schon damals geäußerte Verdacht, die DDR habe die documenta-Leitung erpreßt. Manche witterten mit der Teilnahme der Künstler aus der DDR eine Gefahr für die Freiheit der Kunst und sprachen von einem Skandal. Doch Schneckenburger stellte in der Zeitschrift pardon fest: »Bösartige Kritiker vermuten: DDR-Funktionäre schrieben uns vor, was zu zeigen wäre. Das stimmt ganz und gar nicht. Es gibt, die DDR betreffend, keine Gegenleistungen und keine Kunsttauschgeschäfte – das gehört nicht zum Konzept.«4

Nicht nur in der BRD gab es Vorbehalte gegenüber der DDR-Teilnahme; auch in der DDR stand man der documenta skeptisch gegenüber. Wie diese Hemmnisse mit viel diplomatischem Geschick überwunden werden konnten, stellt Gisela Schirmer in ihrem Buch »DDR und documenta. Kunst im deutsch-deutschen Widerspruch« auf beeindruckende Weise, mit umfangreicher Quellenkenntnis dar. Es gab damals auch schon ein großes Interesse an künstlerischen Entwicklungen in den sozialistischen Ländern, das aber erst nach dieser documenta durch die umfangreichen Aktivitäten des Kölner Kunstsammlers Peter Ludwig befriedigt werden konnte.

Willi Sitte erzählt in seiner Autobiographie, er und die anderen Maler seien zunächst aufgefordert worden, Arbeiten in anspruchsvollen Formaten einzureichen, weil man sie gleichberechtigt präsentieren wollte. Ein ganzer Seitenflügel des Fridericianums sollte zur Verfügung stehen. Am Ende wurden aber die Bilder wegen allgemeiner Raumnot in einem Durchgangsraum mit niedriger Deckenhöhe gehängt; die großen Formate reichten vom Fußboden bis zur Decke, und die Abstände zwischen den Werken waren so dicht, daß die Gesamtwirkung stark beeinträchtigt wurde.

Doch die Anerkennung durch die an dieser documenta Beteiligten und durch zahlreiche westliche Künstler war groß. Joseph Beuys, Wolf Vostell, Klaus Staeck, Nam June Paik und andere äußerten sich öffentlich erfreut über die Teilnahme von Künstlerkollegen aus dem Osten. Beuys ließ sich von Lothar Lang durch die DDR-Kollektion führen. Diese offene, kollegiale Haltung half auch, die nicht ausbleibenden Proteste in ihrer Wirkung zu schmälern. Der Hamburger Galerist Hannes von Gösseln drohte damit, alle seine Leihgaben zurückzuziehen, falls die Plastiken von Cremer und Jastram nicht entfernt würden. Am 22. Juni 1977 wurden in einer Pressekonferenz Flugblätter verteilt, in denen Georg Baselitz und Markus Lüpertz mitteilten, daß sie aus Protest gegen die »Überlastigkeit zugunsten der DDR-Vertreter« ihre Werke zurückgezogen hätten. Auch Ralf Winkler alias A. R. Penck forderte seine Arbeiten zurück. Doch Joseph Beuys, Eduard Beaucamp, der damalige Kasseler Oberbürgermeister und spätere Finanzminister Hans Eichel und viele andere setzten sich vehement für die DDR-Kollektion ein. Lothar Lang erinnert sich: »Der Versuch, (…) mit dem Hinweis auf die Beteiligung von sechs DDR-Künstlern ein politisches Feuerchen zu entfachen, ging im überwiegenden Wohlwollen für diesen ersten documenta-Auftritt der DDR unter. (…) Die Geschichte ist über diese Rankünen hinweggegangen. Auf die Entwicklung der Kunst hatten sie weder in West noch Ost einen Einfluß. Zu den Ergebnissen gehörte jedenfalls, daß die Kunst aus der DDR zunehmend zu einem Gesprächspartner im internationalen Kunstprozeß wurde.«5″ weiterlesen

Hommage an die Leipziger Schule

Die Galerie Schwind stellt zum zweiten Mal „Künstler der Galerie“ aus.

neues deutschland vom 8.08.2012: „Nahezu alles, was Rang und Namen in der DDR-Malerei hatte, ist unter Vertrag bei der Galerie Schwind. An die 20 Künstler der oberen Liga vertritt das 1989 in Frankfurt am Main gegründete Kunstunternehmen, das besondere Affinität zur Leipziger Schule entwickelte und 2004, nach dem Tod von Werner Tübke, dessen Haus in Leipzig erwarb und zum Hauptsitz der Galerie ausbaute. Blieb die Frankfurter Niederlassung als Dependance erhalten, kam 2011 als dritter Standort Berlin hinzu, im Galerieviertel an der Auguststraße. Dort geizen Geschäftsführer Karl Schwind und seine Galerieleiterin Sabine Kahra auch in der aktuellen Ausstellung nicht mit Größen, die sie vertreten. Von Plastik bis zur Kohlezeichnung reichen die Exponate, von Fritz Cremer als Doyen bis zum 1981 geborenen Markus Matthias Krüger als Junior. Sie stehen gleichsam als Überblick dessen, was die Leipziger Schule in schon dritter Generation hervorgebracht hat.

Nicht zur Leipziger Schule freilich zählt Fritz Cremer, der mit acht kleinen Bronzen beteiligt ist, vom seinem schmalgliedrigen »Römischen Mädchen II«, 1942, über den hageren, leidensvoll knienden »Geschlagenen«, 1949, bis zum selbstbewusst posenden »Stehenden Akt«, 1959, und dem massigen »Gekreuzigten«, 1964/5, mit seinen ausgerenkten Armen.

Von jenem Trio, das die Leipziger Schule in den 1970ern begründete, fehlt einzig Bernhard Heisig. Mit sechs intimen Stillleben aus gut 35 Jahren ist Wolfgang Mattheuer vertreten. Sind die Reminiszenzen an Schwarzes Meer und Kaukasus akribisch gedrängt und erinnern in ihrer Grandezza an eine Toskana-Landschaft, so nimmt der »Winterweg«, 1996, alle Farbe fort, konzentriert sich ganz auf die fahle Stimmung einer verschneiten Allee.

Vor mattem Rosa hängen Blumen ihre Blüten aus einer Kristallvase auf einem mit Strichen angedeuteten Tischtuch, die vielleicht schönste seiner Arbeiten. Barock bewegt gibt sich Werner Tübkes »Madonna von St. Michele«, 1998, auf Capri: Krüppel, Ritter und Adel ballen sich wie vernebelt in dünnem Farbauftrag und einer verzückten Darstellung vor dem Kirchenportal. Handwerklich superb.

Einen zweiten Schwerpunkt der Exposition machen die Schüler der Altmeister aus. Arno Rink, bei der Erstbewerbung fürs Studium noch abgelehnt, brilliert mit drei geheimnisvoll unterkühlten Darstellungen, alle aus den letzten Jahren. Seine »Judith« von 180 x 100 Zentimetern steht würdebewusst, in der einen Hand das Messer, in der anderen schemenhaft des Holofernes‘ Haupt.“ weiterlesen

weitere Informationen

Ein Gesprächsband mit dem Maler Ronald Paris

Mitteldeutsche Zeitung.de vom 7.08.2012: „Wallender Rauschebart, große Brille, zerfurchte Stirn und Kappe auf dem Schädel: Einzig die Zigarre will nicht zu dieser Ernst-Fuchs-Paraphrase passen, mit der Ronald Paris, DDR-Wandbild- und Staffeleimaler, Zeichner, Porträtist und späterer Kunstprofessor an der halleschen „Burg“, eine zumindest phänotypische Nähe zu dem Wiener Surrealisten sucht. So ist er auf dem Gesprächsband abgebildet, den das „Neue Deutschland“ im Verlag Das Neue Berlin dem bald 79-Jährigen zu Ehren heraus gebracht hat.

In der Attitüde vereinen sich der Genussmensch und der Kunst-Weise, der wie im Titel „wahr und wahrhaftig“ spricht. Und das auf rund 200 Seiten, die Bild-Seiten nicht mitgezählt, im Gegenüber mit Karlen Vesper-Gräske, Kulturredakteurin des „Neuen Deutschlands“. Das kritische Ausloten einer Künstlerkarriere unter DDR-Vorzeichen ist an dieser Adresse nicht zu erwarten, vielmehr darf der Schöpfer von „Lob des Kommunismus“, „Unsere Welt von morgen“ oder „Triumph des Todes, Triumph des Lebens“ die Summe seines Schaffens für seine Verehrer, Sammler und Schüler ausbreiten.

Lebhaft geht es dann zu, wenn Paris etwa Porträtsitzungen schildert, mit der Theaterlegende Ernst Busch („Wie eine kalte Dusche“) oder mit Wolf Biermann („fing an, den alten Kaffee aufzuwärmen“). Sonst aber kreist Paris viel um Einflüsse, Methoden, Vorbilder, und um Weltpolitik und seine Rente, doch vieles wirkt angelesen oder vorhersehbar bis zur Binsenweisheit („Stetes Üben ist wichtig“, „Es malt sich nichts von allein“).

„Ich lebte und arbeitete real in einer sozialistisch deklarierten Gesellschaft und versuchte mich einzubringen als Künstler.“ Die Pose von Bescheidenheit und Politikferne überdeckt Paris‘ 13-jähriges Mitwirken in Zentralvorstand und Präsidium des DDR-Künstlerverbands, ein Umstand, der in beiläufiger Erwähnung untergeht.

Das „Sich Einbringen“ forscht nicht nach Mechanismen der Macht, wie die Antwort des Malers auf eine Frage zu den Dresdner „Großen Kunstausstellungen“ erhellt. Staatlich organisiert? Nein, „von den Künstlern selbst“. Ronald Paris als Verbandsfunktionär hätte den Sitz im Vorstand für den Abteilungsleiter aus dem Kulturministerium erwähnen können, aber staatliche Einflussnahme auf das Kunstgeschehen zu diskutieren, ist kein Gegenstand des Gesprächs.“ weiterlesen

Ronald Paris stellt sein Buch vor: Sonntag, 12. August, 11 Uhr, Willi-Sitte-Galerie in Merseburg. Zugleich Finissage der Ronald-Paris-Ausstellung

„Jetzt ist aber mal Schloss“

Seit über zehn Jahren fordern Bürger die Sanierung, nun sind sie fast am Ziel: Die historische Turmvilla in Biesdorf wird zum Kunsthaus ausgebaut.

Der Tagesspiegel vom 1.08.2012: „Das Feuer wütete im April 1945. Es heißt, Nazis hätten es gelegt. Seither ist das Schloss Biesdorf ohne Obergeschoss. Nun wird das denkmalgeschützte Gebäude saniert, es bekommt das fehlende Stockwerk zurück. Nach Ende der Arbeiten im Jahr 2015, so der Plan, öffnet die spätklassizistische Turmvilla als Kulturhaus mit Gastronomie. Das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf sucht dafür einen Betreiber und hat ein europaweites Interessenbekundungsverfahren gestartet.

Ins Obergeschoss kommt eine Gemäldehalle für die Galerie „Bilderstreit“, eine ständige Ausstellung von Bildern, Aquarellen und Zeichnungen aus dem Kunstarchiv Beeskow. Die Werke von ostdeutschen Künstlern gehörten vor der Wende Staatsorganen und Parteien der DDR.

Als Kontrast will Kulturstadträtin Juliane Witt (Linke) aktuelle Kunst ins Haus hängen. Im Erdgeschoss sind wechselnde Ausstellungen geplant, Konzerte, Lesungen, Tagungen, Gastronomie. „Wir wollen das Schloss als historischen Ort erlebbar machen“, sagt Stadträtin Witt. Das Gebäude erhält zudem barrierefreie Zugänge, Treppen werden modernisiert, Wände erneuert. Der künftige Betreiber, der sich bis 15. September bewerben muss, soll in Planung und Bau mit eingebunden werden, sagt Witt. Die Pläne entwirft das Wilmersdorfer Architektenbüro Pinardi. Das steht vor einer Herausforderung: Weil es nur Fotos gibt, aber keine genauen Pläne mehr von der Villa vor 1945, ist unklar, wie hoch das Obergeschoss wirklich war, sagt Immobilienstadtrat Stephan Richter (SPD). 7,5 Millionen Euro zahlen Stiftung Klassenlotterie, EU und Bezirk für die Sanierung, wobei Marzahn-Hellersdorf mit 250 000 Euro den geringsten Beitrag leistet. Unberührt von den Plänen bleiben die Parkbühne und der Schlosspark.

Eigentlich sollte die Sanierung längst laufen. Doch wie in Berlin nicht unüblich, verzögerte sich auch dieses Bauprojekt. Anfang 2013 beginnen nun die Arbeiten, sagt Witt. Der Senat muss die Pläne noch abnicken. Auf den Start wartet Heinrich Niemann von der „Stiftung Ost-West-Begegnungsstätte Schloss Biesdorf e. V.“ seit mehr als zehn Jahren. Die Stiftung trug dazu bei, die Sanierung anzustoßen – zu diesem Zweck hatte sie sich 2001 gegründet. Im Jahr nach der Gründung begann sie mit der Renovierung der ruinösen Fassade für etwa 1,75 Millionen Euro aus Fördergeldern.

Das Schloss Biesdorf wurde 1868 auf dem Gelände eines Rittergutes erbaut. 1887 übernahm der Industrielle Werner von Siemens das 600 Hektar große Gut. Sohn Wilhelm ließ den Landschaftspark gestalten. Seit 1927 gehört es der Stadt Berlin. Nach dem Brand im Jahr 1945 wurde die Villa provisorisch repariert, das Obergeschoss abgetragen. Seit 1994 betreibt es der Verein Ball e.V., organisiert Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Keramikkurse. Der Verein hat mehrere Standorte im Bezirk, er beschäftigt Menschen aus der Arbeitsförderung, betreut Arbeitslose und leistet Lebenshilfe. Das Schloss will er nicht verlassen. „Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit, mit dem neuen Betreiber weiterzumachen“, sagt Geschäftsführer Frank Holzmann. Dafür will er sich am heutigen Mittwoch, 1. August, einsetzen. Dann gibt es im Schloss um 16 Uhr eine Diskussionsrunde, in der besprochen wird, wie Akteure aus der Region miteinbezogen werden können. Sollte Ball e.V. das Areal verlassen müssen, würde der Alternativstandort – das einstige BSR-Gebäude gleich nebenan – intensiver als bisher genutzt werden, sagt Holzmann.“ weiterlesen

Ausstellungsprojekte: Auch das Potsdam-Museum zeigt 2014 ostdeutsche Kunst

Der Tagesspiegel vom 24.07.2012: „Auch das Potsdam-Museum bereitet momentan eine Ausstellung mit DDR-Kunst vor: Im Jahr 2014 will das Museum unter dem Schwerpunkt „Stadtraum – Kunstraum“ Werke aus seiner umfangreichen Sammlung ostdeutscher Kunst zeigen. Das sagte Museumschefin Jutta Goetzmann dem Tagesspiegel. Dafür wolle man mit dem vom Bund geförderten Gemeinschaftsprojekt „Bildatlas – Kunst in der DDR“ mit Sitz in Dresden kooperieren.

Die Museumsmitarbeiter seien bereits seit 2009 damit beschäftigt, den Bestand an DDR-Kunst zunächst einmal überhaupt zu erfassen und wissenschaftlich aufzuarbeiten – eine Aufgabe, die noch nicht abgeschlossen ist.

Laut Goetzmann besitzt das Potsdam-Museum gut 5000 Werke, davon mehr als 2000 Grafiken, rund 1500 Gemälde, aber auch Fotografien und Skulpturen. Die Werke hat das Museum von der seinerzeit an das Museum angeschlossenen „Galerie sozialistischer Kunst“ übernommen. Sie lagern momentan im neu dafür eingerichteten Depot in Groß Glienicke.

„Es sind nicht so viele große Namen darunter“, sagte Jutta Goetzmann. Der Schwerpunkt der Sammlung liege auf Kunst aus den Jahren 1975 bis 1989, aber auch ältere Werke seien von der Galerie angekauft worden. Die meisten Werke stammen von Künstlern aus dem Potsdamer und Berliner Raum, aber auch Dresdener, Hallenser und Leipziger seien vertreten – die eine oder andere Entdeckung also möglich.“ weiterlesen

TV-Tipp: Aus der Reihe „100(0) Meisterwerke“

zdf.kultur, Freitag, 27.07.2012, 2:15 Uhr – 2.35 Uhr

2.15: Wolfgang Mattheuer: Horizont

2.25 Uhr: Harald Metzkes: Abtransport der sechsarmigen Göttin

Einblick und Ausblick. Erste Ausstellung von Kunstwerken aus der Sammlung von Hasso Plattner

Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Kutschstall am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam

24. Juli bis 16. September 2012

Der Vorgang ist singulär: Normalerweise stehen Sammlermuseen am Ende eines langen Weges, wenn eine über Jahrzehnte aus privater Kunstbegeisterung gewachsene Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Nicht selten ist dies mit hohen Kosten für die öffentliche Hand verbunden, etwa wenn die Kommunen Baulast und Betrieb schultern. In Potsdam hingegen bietet Prof. Hasso Plattner der Bürgerschaft eine Kunsthalle an, errichtet und betrieben aus mäzenatischem Engagement, bestimmt, eine noch nicht abgeschlossene, im Werden begriffene Sammlung aufzunehmen. Und der Mäzen gewährt zu einem frühen Zeitpunkt einen Blick auf erste Erwerbungen, einen Blick, der die Richtung erahnen lässt. Es geht überwiegend um ostdeutsche Kunst in ihren bekanntesten Vertretern.

Die Ausstellung wird im zur Galerie umgestalteten Konferenzraum im Obergeschoss des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte stattfinden. Zu sehen sind 28 Werke von neun Künstlern. Neun Arbeiten von Bernhard Heisig, sieben von Wolfgang Mattheuer, vier Bilder von Arno Rink, ein Diptychon von Ulrich Hachulla und je ein Werk von Erich Kissing, Willi Sitte und Werner Tübke belegen exemplarisch Positionen ostdeutscher Kunst vor und nach 1989. Die Schau wird ergänzt durch zwei Werke von Klaus Fußmann und ein Bild von Gerhard Richter. Das spektakulärste Exponat, ein monumentaler Guss von Wolfgang Mattheuers „Jahrhundertschritt“, wird ab September auf dem Kutschstallhof seinen Platz finden.

Die Präsentation selbst hebt den Rang der einzelnen Arbeiten durch großzügige, ruhige Hängung in Werkgruppen nach Künstlern hervor. Die Texte beschränken sich auf Künstlerbiografien und die museumsübliche Einzelbeschriftung der einzelnen Arbeiten. Durch die solide, aber unaufwendige Präsentation wird deutlich, dass es sich noch nicht um eine abgeschlossene Galerie handelt, sondern um eine Sammlung im Aufbau, um die Eröffnung eines Weges, um eine Einladung zum Diskurs.

Die Ausstellung zeigt Werke aus der privaten Sammlung von Prof. Dr. Hasso Plattner. Dennoch steht die Präsentation im Kontext öffentlicher Belange. So entstanden in den letzten Wochen an der Frage des Standorts einer Kunsthalle in Potsdam leidenschaftliche Kontroversen um das Verhältnis von preußischer Geschichte und DDR-Erinnerung und um Visionen für die Stadtentwicklung Potsdams im 21. Jahrhundert. Das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte möchte mit der Ausstellung „Einblick und Ausblick“ dazu beitragen, die sachliche Basis dieser Diskussion zu verbreitern.

weitere Informationen

Presse

Märkische Allgemeine vom 23.08.2012

Zeit online vom 30.07.2012

Neues Deutschland vom 25.07.2012

pnn.de vom 25.07.2012

Deutschlandfunk vom 24.07.2012

Lausitzer Rundschau vom 24.07.2012

Märkische Allgemeine vom 23.07.2012

Der Tagesspiegel vom 23.07.2012

pnn.de vom 23.07.2012

Märkische Oderzeitung vom 22.07.2012

„Die vergessene DDR-Malerei“

Tausende Werke lagern in Kellern und Abstellräumen – Ein Forschungsprojekt spürt sie wieder auf

Welt online vom 20.07.2012: „Im Büro von Christian Heinisch an der Technischen Universität Dresden erhebt sich eine Regalwand voll bis unter die Decke mit Aktenordnern. Sie enthalten die Ergebnisse aus drei Jahren Arbeit zur Malerei in der DDR. Mehr als 20.000 Gemälde aus 167 Sammlungen sind bereits erfasst worden. 4.000 weitere sollen noch folgen.

„Wir sind anfangs gerade mal von der Hälfte ausgegangen“, sagt Heinisch, der einer der Leiter des Projekts „Bildatlas: Kunst aus der DDR“ an der TU Dresden ist. Gemeinsam mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, dem brandenburgischen Kunstarchiv Beeskow und dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam hat sich die TU das Ziel gesetzt, eine möglichst umfassende Dokumentation der Malerei aus der DDR zu erstellen. Zwölf Personen sind seit dem Jahr 2009 beschäftigt, Gemälde aus der DDR in Museen, privaten Sammlungen, Botschaften, Kirchen oder bei Unternehmen zu finden, abzufotografieren und zu katalogisieren.

Bisher, sagt Forschungskoordinator Paul Kaiser, habe sich das Wissen über die DDR-Kunst lediglich aus einem sehr kleinen Bestand rekrutiert. Mit der Erfassung soll nun erstmals ein umfassender Überblick über die Bildproduktion in der DDR möglich sein. Und Karl-Siegbert Rehberg, ebenfalls wissenschaftlicher Koordinator und Projektleiter, erklärt: „Selbst die Museen wissen nicht immer, was sie eigentlich in ihrem Fundus haben.“

Kunstbetrieb zeigt Interesse an Bildern aus der DDR

Der Grund: Nach 1989 gab es keine Sammler mehr für die Werke. Parteien und andere Massenorganisationen, auch viele Museen wollten plötzlich von der Kunst aus der Zeit des Sozialismus nichts mehr wissen. So verschwanden viele Gemälde aus der Zeit von 1949 bis 1990 in Kellern und Lagerräumen.

Heutzutage zeigen hingegen sowohl der Kunstbetrieb als auch die Wissenschaft ein verstärktes Interesse an der DDR-Malerei. „Wir haben auch viele Anfragen von Künstlern, die nach 1989 plötzlich nicht mehr wussten, wo ihre Bilder waren“, sagt Kaiser. Eine bereits fertiggestellte Onlinedatenbank, in der die Bilder zusammengefasst werden, soll eine wichtige Hilfe und Informationsquelle zum Auffinden verschollener Werke sein.

Doch nicht alle Künstler seien glücklich über das Projekt, fügt Rehberg hinzu. „Einige wollen am liebsten ihr Werk nicht mit der DDR in Verbindung gebracht wissen.“ Ein Beispiel sei etwa Neo Rauch und sein Bild „Die Kreuzung“ von 1984. Die Mehrzahl der Künstler sei aber froh, dass es die Dokumentation gebe. Genauso wie die meisten Museen, die jetzt erstmals wüssten, was an DDR-Kunst bei ihnen im Fundus lagert. Auf dieser Basis könnten künftig etwa neue Ausstellungen geplant werden, sagt Kaiser.

Zwei Buchpublikationen und mehrere Ausstellungen geplant

Das Projekt stellt die Mitarbeiter immer wieder vor neue Herausforderungen. Neben dem Arbeitsaufwand durch die schiere Menge gebe es etwa auch große Probleme mit den Nutzungsrechten der Bilder, sagt Rehberg. Es fehle schlicht das Geld, um alle Rechte abzugelten. „Dadurch können wir einen großen Teil der Bilder möglicherweise gar nicht zeigen.“ Es sei „geradezu skandalös“, dass es die Regierung nicht schaffe, Regelungen für Projekte zu finden, die der Wissenschaft dienen, sagt er weiter.“ weiterlesen

Ronald Paris. Malerei

Willi-Sitte-Galerie Merseburg, Domstraße 15, 06217 Merseburg

03. Juni – 12. August 2012

nd vom 16.07.2012: „Da saß Ronald Paris mit Willi Sitte in der »Frohen Zukunft« flachsend beieinander, ein Tag bevor die Ausstellung des einen in der Galerie mit dem Namen des anderen eröffnet wurde; zwei Nestoren der Malerei aus der DDR, die ihre Erinnerungen in Büchern festgehalten haben; keine Malerfürsten, aber wahre Maler, die mit dem edlen Antrieb des Wahrhaftigen Farbe bekennen. Beide sind aus einem konformistischen Realismus ausgebrochen, aber hielten als Künstler von Format und Charakter dennoch am Realismus fest; das hat mit künstlerischer Überzeugung zu tun. In diesem Sinne lehrten beide als Professoren an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten. Zu hoffen wäre, wenn von diesen Meistern des Realismus, die immer der Völker Würde und Schönheit für des Malens wert hielten, eine schulbildende Kraft ausginge. Paris konnte von 1993 bis 1999 an der »Burg« die hervorragende Ausbildung, die er selbst bei Arno Mohr, Toni Mau, Bert Heller, Kurt Robbel und Gabriele Mucchi und zudem als Meisterschüler Otto Nagels genoss, weitergeben.

Ein Gebot des Realismus ist es, das Geschehen um einen her und in weiter Ferne kritisch und mit Zweifel wahrzunehmen. Nicht von ungefähr blickt Ronald Paris auf seinem kleinen Selbstbildnis, einer in dunklem Grau gehaltenen Pinselzeichnung aus dem Jahre 2008, unter seiner Malerkappe aus großen Augen, zwischen denen sich tiefe Falten eingegraben haben, finster in die Welt. Dem widerspricht die vor dem offenen Fenster liegende romantische »Mondnacht auf Syphnos«, Öl, 2010, die mit einem anderen, für den Maler zutreffenderen Blick gesehen wurde und welcher die Augenlust an der Welt anzumerken ist. Als Realist schenkt Paris zuerst der Präsenz des Augenscheinlichen seine Aufmerksamkeit und tritt vehement mit seinem Gegenüber in einen Dialog, wenn sich mit ihm ein Stück vom Leben und von Schönheit aufführen lässt.

In über 40 Bildern, die er mit Dietmar Rother vom Förderkreis Willi Sitte Galerie beziehungsvoll über die Räume des Hauses verteilt hat, weckt er zum einen in kleineren Zeichnungen und Grafiken Erinnerungen an historische Ereignisse. Doch in den Ölbildern, Gouachen und Aquarellen präsentiert er vor allem eine Vielzahl von Landschaften, in denen öfters auch menschliche Gestalten eine Rolle spielen. Der Thüringer Paris, der zehn Jahre in Rostock lebte, aber vor allem in Berlin und heute bei Berlin, in Rangsdorf, lebt und arbeitet, lädt zu einer Reise zu fernen und nahen Gegenden der Welt ein. Nach Spanien, wo wir auf einem Ölbild des Vorjahres nach Andalusien versetzt werden und auf die »Römische Brücke vor Cordoba« blicken. Nach Italien, in die Toskana, mit einem Aquarell von 1998 zum Verweilen in San Ottaviano. Und nach Indien, wo uns in den Backwaters von Kerala Fischer begegnen. Nach Irland, mit einem gestrandeten Kutter und Meerestoben, das die Küste wabenhöhlengleich zerklüftet hat. In die sagenhafte Ägäis sowie mit zauberhaften Aquarellen an den heimischen Bodden und an die Saale bei Mücheln und Wettin. Das Gesehene wandelte Paris in kraftvoll gestaltete Bilder voll großer Farbenfülle mit wechselndem, gegen Schatten geführtem Licht und dramatisiertem Motiveinsatz zu sinnlich erfahrbaren Lehrstücken.

Dass bei der Gestaltung seiner Bilder Paris das Dramatische der Vorgänge fasziniert, zeigen die Kämpfe in der Stierkampfarena, deren Ende er 2011/12 in den großen Ölbildern »Das letzten Olé in Katalonien« festhielt, ein Triptychon, dessen drei Hochformate ungewöhnlich sind; das mittlere besitzt mit einem am Boden verendenden Stier Predellen-Momente. Bei den Szenen und den abwehrenden, verschreckten und sich wechselseitig schuldzuweisenden Gebärden der Stierkämpfer wie den sich erlöst zeigenden der Señoritas stößt man in der dreidimensional wirkenden Bildfläche auf die Struktur des Szenarischen, die erneut die enge Beziehung des Malers zur Dramatik verrät. Sie ist bei dem Kind eines Schauspielers und Sängers naturwüchsig, doch das Dialogische ist insbesondere durch das Zeichnen in Berliner Theaterinszenierungen in seiner Begabung tief verinnerlicht.“ weiterlesen

weitere Informationen