Jedem seine Wirklichkeit. Der Begriff der Wirklichkeit in der Bildenden Kunst in Frankreich, Polen, der BRD und DDR der 1960er bis Ende der 1980er Jahre

Neues Forschungsprojekt am Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris unter der Leitung von Dr. Mathilde Arnoux

Zielsetzung des Projekts

Der Begriff der Wirklichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch die Schriften von Künstlern, Kritikern und Kunsthistorikern vom Beginn der 1960er bis Ende der 1980er Jahre. Umso erstaunlicher ist es, dass ein und derselbe Terminus mit gänzlich verschiedenen Praktiken verknüpft wurde, obgleich er in Abhandlungen über Kunst sowohl im Westen als auch im Osten verwendet wurde. Die verschiedenen Auslegungsarten des Begriffs der Wirklichkeit überschneiden sich bisweilen, als wolle man mit der Mehrdeutigkeit des Begriffes spielen, sich gleichzeitig aber auch in eine historiographische Tradition einfügen, indem die Kunstgeschichte von ihren Anfängen über die Fragen zur Mimesis und zur Objektivität, zur freien Wahl des Subjekts durch den Künstler und zur Position, die dieser der ihn umgebenden Welt gegenüber innehat, durchlaufen wird. So schwer fassbar die Wirklichkeit auch ist, der Begriff kann von jedem nach eigenem Ermessen  verwendet werden. Er füllt eine konzeptuelle Leerstelle, welche in bezeichnender Weise die Bedeutung, die diesem in den bildenden Künsten jener Zeit beigemessen wird, erkennen lässt. Der polymorphe, facettenreiche Begriff der Wirklichkeit war bisher noch nie Gegenstand einer vertieften Auseinandersetzung mit der Bildenden Kunst der 1960er bis Ende der 1980er Jahre oder gar eines Forschungsprojekts über die Beziehung zwischen den „Wirklichkeiten“ im Westen und Osten unter Berücksichtigung des ideologischen Kontexts des Kalten Kriegs. Indem die beiderseits des Eisernen Vorhangs geschaffenen Werke untereinander in Zusammenhang gebracht werden, sollen tradierte Lesarten reflektiert werden, nicht um sie genau ins Gegenteil zu verkehren, sondern um eine jene Nuancen herauszuarbeiten, die die strikte Teilung in zwei gegensätzliche Blöcke aufzubrechen vermögen. Indem ein und derselbe Begriff am Beispiel verschiedener Interpretationen im künstlerischen Umfeld Frankreichs, der BRD, der DDR und Polens hinterfragt wird, zielt das Projekt darauf, Fragen zum Austausch, zu Missverständnissen und Gemeinsamkeiten zwischen diesen Ländern vom Ende des Stalinismus bis zum Zusammenbruch des Ostblocks zu bearbeiten.

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