Einführungstexte

Pressedossiers

Literatur

Bilddossiers

Bilddossierzeithistorisches DokumentReprintKurze Bildbesprechung

Conrad Felixmüller, Mond über zerbombter Stadt mit Rummelplatz (1946)

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012

Geb. am 21.5.1897 in Dresden. Studierte schon 1911/12 an der Dresdener Kunstgewerbeschule, danach bis 1915 bei F. Dorsch und C. Bantzer an der Akademie. 1919 Eintritt in die KPD. Mitbegründer der Dresdener „Gruppe 1919“. In der NS-Zeit als entartet verfemt. 1941 in Berlin ausgebombt. Seit 1944 in Tautenhain bei Leipzig. 1949-62 Professur an der Universität Halle, zieht 1967 aus familiären Gründen nach West-Berlin.

Felixmüller fiel schon im Alter von fünfzehn Jahren durch außergewöhnliche Frühbegabung auf. Als Zwanzigjähriger gehörte er bereits zu den bekanntesten und aktivsten Erscheinungen innerhalb der jungen Künstlergeneration des sozial-kritischen sogenannten „linken“ Expressionismus. Seine Gemälde und vor allem Holzschnitte, die er von 1915 bis 1926 in so fortschrittlichen, linksorientierten Zeitschriften wie „Sturm“ und „Aktion“ veröffentlichte, wirkten als aufrüttelnde Attacken gegen die herrschende Gesellschaftsordnung und ihren Krieg. Sein 1919 auf der Titelseite der „Aktion“ abgedrucktes Gedenkblatt für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und seine Darstellungen Arbeitsloser und Ausgebeuteter waren ergreifende Anklagen. Mitte der zwanziger Jahre ging sein rigoroser Expressionismus in jenen sozial engagierten Realismus auf, der in Dresden unter anderem von Otto Dix und proletarisch revolutionären Künstlern wie Otto Griebel und Hans Grundig vertreten wurde. Bilder wie der „Zeitungsjunge“ und das „Liebespaar vor Dresden“ von 1928 drücken tiefe Anteilnahme am Leben der arbeitenden Klasse aus und zeigen Felixmüllers Hinwendung zu einem unversehrten Menschenbild. Solche Werke stellen ihn in die Reihe der Wegbereiter für die sozialistische Kunst unserer Zeit.

Nach dem Kriege, nach Rückkehr aus der Gefangenschaft 1945, widmete sich der Künstler in dem Dorf Tautenhain vorwiegend den arbeitenden Menschen. Bauern und Industriearbeiter traten in den Vordergrund seines Schaffens. Seine Realismusauffassung erscheint nun gemilderter, die Malweise weicher und in der Farbe toniger.

Als Conrad Felixmüller 1946 zu einem Besuch nach Leipzig kam, führte ihn sein Weg durch die nächtliche Stadt über den damals noch voller Häuserruinenstehenden Leuschner-Platz. Dort faszinierte ihn ein Rummel mit Karusselbetrieb so, daß er dieses Motiv zeichnete und danach das Bild „Rummelplatz“ malte. Es vergegenwärtigt eine eigentümliche Erscheinung der ersten, von Hunger, Kleidungsmangel und Elend vieler Art überschatteten Nachkriegsjahre: als nach jahrelangem Tanz- und Vergnügungsverbot 1946 die Tanzsäle wieder geöffnet werden durften, brach trotz leerem Magen und zerschlissener Kleidung eine Tanz- und Vergnügungswut aus. Felixmüllers Bild zeigt, wie die Menschen zu dem Rummel zwischen Ruinen strömen, wo es nichts zum Essen gibt, aber Licht und menschliche Wärme. Zu den Merkmalen jener Zeit gehören auch der Leierkastenmann links und die Kinder mit den viel zu großen Soldatenmützen. Über dem von weißem und gelbem Licht angestrahlten Treiben lagert die Melancholie der Ruinen und des Nachthimmels, Stimmungen, welche der Künstler durch intensive Blautöne ausgedrückt hat.

Dieses Motiv hat Felixmüller dann auch in seine Folge von vierzig Holzschnitten „Ich sah und schnitt in Holz“ (1947-1951) aufgenommen, wo er als Augenzeuge Nachkriegsdeutschland mit all den Heimatlosen, Bettlern, geistigen und materiellen Trümmern, aber auch dem hoffnungsvollen Neubeginn festhielt.

Quelle: Henry Schumann: Conrad Felixmüller, Mond über zerbombter Stadt mit Rummelplatz (1946). In: Malerei der DDR. Kataloge der Gemäldegalerie, Heft 5, hrsg. v. Museum der bildenden Künste. Leipzig 1977, S. 16.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)