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Glossar

Leipziger Herbstsalon

Der I. Leipziger Herbstsalon fand vom 15. November bis zum 7. Dezember im Messehaus am Markt, wo sonst die Buchmesse beheimatet war, in der Innenstadt, gegenüber dem Capitol, Leipzigs größtem Kino, während der internationalen Kurzfilmwoche statt. Ein Spektakel und für die Mächtigen ein Ärgernis, dem sie trotz Solidaritätserklärungen auch Leipziger Hochschullehrer zu begegnen versuchten, indem sie diese zum Zurückziehen ihrer Unterschriften bewegten. Vermittelnd hatte Bernhard Heisig auch als Mitglied der SED-Bezirksleitung der SED gewirkt. Initiatoren waren: Lutz Dammbeck, Günter Firit, Hans Hendrik Grimmling, Frieder Heinze, Günter Huniat und Olaf Wegewitz. Die Räume waren privat vom SED-Mitglied Günter Huniat gemietet worden, der Vermieter, das Messeamt, befand sich jedoch in dem Irrglauben, dass es sich um eine offizielle (Verband Bildender Künstler) Angelegenheit handele. Es war eine Protestveranstaltung der jungen Künstler, die sich Gehör zu verschaffen suchten, das ihnen innerhalb der Verbandsstrukturen verwehrt wurde. Sie waren künstlerisch Grenzüberschreiter, die die neuen Antisymbole wie naiv zwinkernde Dämonen (Heinze), abstürzende vom Mensch-Sein infizierte Vogelkolonien (Grimmling), Entweihungs-Zeremonien von gestern und heute (Dammbeck), oder naturnahe „Nestbau-Techniken (Wegewitz - als Wärmeforschung des Aussteigers) einer rigorosen artifiziellen Abmagerung unterworfen“ (Klaus Werner) haben. Je zehn Personen durften die sechs Künstler pro Tag zur Besichtigung einladen, in der sie selbst führten. Es war die erste große selbstorganisierte und selbstfinanzierte Ausstellung ohne einen öffentlichen Träger an einem repräsentativen Ort. Zum Gericht der SED­Gewalt gehörte der Rückzug vieler Unterschriften unter der Solidaritätserklärung, die Abmahnung von Günter Huniat und Hans­Hendrik Grimmling durch den Verband Bildender Künstler und ihre Entfernung aus Verbandsgremien. Frieder Heinze solidarisierte sich mit beiden, schied freiwillig aus. Dammbeck, Firit und Grimmling verließen alsbald die Deutsche Demokratische Republik (Ausbürgerung).

Literatur: Werner, Klaus: Telefon 287350: Hier Leipziger Herbstsalon! In: Gillen / Haarmann 1990, S. 399-402.

 

aus: Hartmut Pätzke: Von "Auftragskunst" bis "Zentrum für Kunstausstellungen". Lexikon zur Kunst und Kunstpolitik in der DDR. In: Eugen Blume, Roland März (Hrsg.): Kunst in der DDR. Eine Retrospektive der Nationalgalerie. Berlin 2003, S. 326.

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